Die kleinen Freuden des Lebens
verdammt viel Geld, und man
kann sich ein Haus kaufen, vielleicht noch eine Ferienwohnung an der Nordsee und zwei schöne neue Autos, dann macht man eine Weltreise und legt was
für die Ausbildung der Kinder zur Seite und spendet ein bisschen was. Aber reicht eine Million Euro wirklich, um den Job zu
kündigen und fortan konsequent auf hohem Niveau zu faulenzen? Eine einfache Rechnung: Eine Million Euro, auf die Bank gelegt,
wirft etwa 50 000 Euro Zinsen pro Jahr ab. Gutes Geld, aber nichts für ein Leben in Saus und Braus. Eine Million, das ist nach wie vor eine
magische Zahl, doch irgendwann müsste jemand mal an die Inflation denken und eine neue magische Zahl benennen. Heutzutage
hat man mit diesem Betrag schon Schwierigkeiten, in München eine Familienwohnung für fünf in halbwegs guter Lage zu finden.
Beim Megajackpot ist alles anders. 10 Millionen Euro, 14 Millionen Euro, 28 Millionen Euro – das sind Summen, mit denen alles geht: Weltreise für immer, Villa in Blankenese oder Grünwald, die eigene
Firma aufkaufen und den Chef rausschmeißen (»Ich hätte gern einen neuen Schreibtisch. Ihren.«). Jaja, ich weiß schon, eine
Villa macht einen angeblich nicht per se zum glücklichen Menschen, aber wissen Sie was? Vielleicht ist das nur ein Allgemeinplatz.
Vielleicht macht einen eine Villa in Blankenese oder Grünwald ja doch zu einem etwas glücklicheren Menschen, aber aus Gründen
der sozialen Ordnung und der Selbstachtung reden wir uns das Gegenteil ein.
Das werden wir wohl nie empirisch belegen können. Beim Megajackpot Lotto spielen verschafft jedenfalls einen angenehmen Kitzel.
Ein paar Tage vorher gibt mansich im Büro ganz cool, aufgeklärt und sogar ironisch distanziert zu dem »Hype« und spottet über die naive Sekretärin, die
doch tatsächlich jeden Samstag ein bisschen Kleingeld investiert. Aber dann tut man sich mit Kollegen zusammen und geht in
der Mittagspause in die Lottoannahmestelle. Man kreuzt einfach mal zwei Kästchen an und das Spiel 77 dazu, und spätestens
am Tag der Ziehung packt einen wirklich das Fieber: Mit den Kollegen diskutiert man, wie man die 22 Millionen Euro am besten anlegen sollte, schiebt das Geld zwischen festverzinslichen Wertpapieren, Grundbesitz und spekulativen
Aktien hin und her, als hätte man es schon längst, und ich möchte mal denjenigen sehen, der am Abend vor dem Fernseher mit
dem Tippschein in der Hand feststellt, dass die erste gezogene Zahl einer seiner angekreuzten Zahlen entspricht, und der dennoch
ironische Distanz bewahrt.
Am glücklichsten ist man aber doch kurz vor der Ziehung, wenn man sich vorübergehend an der Vorstellung berauscht, dass es
sogleich eine winzige, winzige Möglichkeit gebe, alle schillernde Sorgen zerplatzten wie Seifenblasen, schnell und rückstandsfrei.
Die Möglichkeit ist so klein wie der kleinste Krümel eines Kuchenmoleküls. Aber man hat sie sich wenigstens eingeräumt.
Italo-Schweizerinnen
D ie Mischung aus schweizerischem und italienischem Akzent ist umwerfend. Auch die schwarzen Haare und die blauen Augen. Aber
ich will hier nicht sentimental werden. Es ist lange her. Und meine Frau spricht inzwischen gefährlich gut Deutsch.
Der einzige Kunde im Fitnessstudio sein
U nd alberne Gesten vor dem Spiegel machen.
Morgens mit der Bäckerin flirten
M orgens nehme ich die Welt durch einen Schleier wahr. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass man mit zwei Töchtern,
die aufaddiert knapp sieben Jahre alt sind, tendenziell schlecht schläft, auf jeden Fall ein Lichtjahr von den empfohlenen
acht Stunden entfernt ist. Das gilt vor allem für die wenigen Tage im Monat, wenn die Familie in München in meiner Junggesellenwohnung
weilt und die Kinder mangels Kinderzimmer bei uns im Bett schlafen.
Wie auf Autopilot schleiche ich über zwei glücklicherweise wenig befahrene Straßen, bis ich bei der Bäckerei Hölzmeier angelangt
bin. Ich bin ein Frühstücksfanatiker. Mögen die Kinder auch bis zwei Uhr morgens auf den Betten und meinem Bauch herumgesprungen
sein – ich stehe brav um 6.45 Uhr auf und bin um 7 beim Bäcker, um Knusprigkeiten einzukaufen. Mein Stammbäcker ist zugleich Café, und dort erwarten mich
jeden Morgen seltsame Menschen. Da gibt es zum Beispiel einen älteren Herrn, der bereits Weißbier trinkt, was auch nach meiner
großzügigen Skalierung in Sachen Alkoholkonsum schwerlich unter »normal« einzuordnen ist. Dann gibt es
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