Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Puccini so oft angeklopft hat, bis der ihm drohte, Protestant zu werden. Michelucci fragt die herumdrucksende junge Frau, ob sie etwas zu beichten habe. Nein, habe sie nicht.
Dann sei ja alles in Ordnung. Sagt Padre Michelucci. Er muß es wissen.
Allerdings macht er sich Gedanken. Warum kommt Doria zu ihm, sichtlich aufgewühlt, und hat dann so gar nichts zu sagen? Das widerspricht seinem Erfahrungsschatz als Seelenschäfer. Er denkt sich seinen Teil.
Dolfino tut das auch. Warum Doria für die Nacht ins Elternhaus verbannt worden ist, fragt er sich. Und fragt alsbald auch sie.
Was denn da vorgefallen sei? Doria schweigt, sie muß auch gar nichts sagen, die Spekulationen gewinnen ihre eigene Dynamik, zumal in einem Dorf, in dem noch der winzigste Vorfall als Zeichen schwer wiegt und überzogener Deutung unterworfen wird.
Selbst die Mutter, Emilia, ist besorgt, redet der Tochter gut zu, sie solle mit all ihren Problemen doch bitte zuallererst zu ihr kommen.
Was für Probleme? Doria hat zwar ein Problem, kann es aber nicht exakt benennen. Oder will es nicht, um dem in der Luft liegenden Vorwurf nicht mit Worten mehr Kontur zu verleihen. Sie ahnt keine Sekunde lang, was ihr bevorsteht.
Auch Puccini ahnt nicht, daß seine Arbeit am Girl bald für über ein Jahr brachliegen wird.
2
Elvira, die später von Giacomo in Briefen an Sybil mehr als Opfer denn als Täterin bezeichnet werden wird, trinkt mit jedem Besuch ihrer Tochter Fosca mehr vom Gift deren lang geplanter Rache. Toto unterstützt seine Gattin dabei, weniger um der aus seiner Sicht unwichtigen Doria zu schaden als vielmehr dem verhaßten Schwiegervater. Beide gehen subtil vor, fallen nicht mit der Tür ins Haus. Nach und nach, in kontrollierter Dosierung, setzen die Leonardi Elvira den Floh ins Ohr, Giacomo sei in seinen Bedürfnissen maßlos und krankhaft obsessiv, er würde einer jungen Untergebenen wie Doria sicher bei erster Gelegenheit unter den Rock fassen, und sei es nur, um das Leporello seiner sexuellen Eroberungen um einen neuen Namen zu erweitern. Dabei spiele es keine Rolle, ob Doria hübsch sei, es genüge, daß ihr Körper als weiblich definiert werden könne.
Ob sie, Elvira, zu blauäugig sei, dies nicht zu bemerken?
Bevor jüngst, nach fast hundert Jahren, ihre tragende Rolle an den folgenden Geschehnissen durch neue Brieffunde deutlich wurde, war Fosca in der Puccini-Literatur stets von einer Art Gutmenschen-Aureole umgeben, abgesehen von ihren Seitensprüngen, die man jedoch weniger ihr, sondern dem unsympathischen Toto anzulasten pflegte. Puccini hat seine Stieftochter vergöttert. Und ausgerechnet sie, keine andere, wird von ihm bald eine donna che tanto male ha fatto genannt werden – eine Dame, die so viel Böses getan hat – bestürzend die Distanz, die er in jene Formulierung legt.
Elvira verliert die Nerven, beschuldigt Doria offen der Unzucht. GP, der bald ahnt, auf welchem Mist das gewachsen sein muß, stellt Fosca zur Rede, verlangt von ihr, zuzugeben, daß sie lüge oder phantasiere. Fosca, für die das alles nicht viel mehr ist als ein heiteres Gesellschaftsspiel, weigert sich. Sie, die durch die Liebschaft ihres Stiefvaters zu Corinna soviel zu leiden gehabt hatte, will es ihm nun heimzahlen. Für die Denunziantin Doria hat sie nur Haß übrig. Sie genießt den Eklat, emanzipiert sich auf ganz eigene Weise, schüttet neues Öl ins Feuer. Er sei ein Wüstling, schreit sie ihrem Stiefvater ins Gesicht, verantwortungslos und machtgeil, manipulativ und egozentrisch. Er habe ihr eine große Liebe madig gemacht, weil es sich ja nur um einen kleinen Cellisten gehandelt habe, er hingegen besteige jede Dienstmagd, egal, wie häßlich.
Bizarrerweise pflichtet, sobald er hinzukommt, Toto Leonardi allen Behauptungen Foscas bei, selbst der, daß sie mit dem Cellisten sicher glücklich geworden wäre.
Giacomo ist von Fosca so schwer enttäuscht, daß er jeden Kontakt zu ihr abbricht. Einige Jahre lang wird sie zur Unperson erklärt. Zwischendurch ist sie gezwungen, ihre Villa am Massaciuccoli-See zu verkaufen, weil dort, auf GP s Anweisung hin, niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben will.
Verständlich, warum Giacomo gegenüber Sybil in dieser Angelegenheit nicht in Details gehen kann. Es ist ihm unmöglich, eigene Familienangehörige anzuschwärzen, der Verleumdung zu zeihen. Schon deshalb, weil er dann auch Foscas Untreue gegenüber ihrem Gatten erwähnen müßte. Solcherlei Schmutz darf er als gewissenhaftes Familienoberhaupt
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