Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
du die Wahrheit. Bestimmt ist alles so gewesen. Den Rest verschweigst du einfach, ich kenne deine Tricks! Deine schlüpfrigen Formulierungen, mit denen du da durchglitschen willst wie ein schleimiger Fisch!
    Sie ist immer noch erbost, hat aber ihre Lautstärke reduziert, ein gutes Zeichen, Giacomo nimmt ihre Hand und überlegt derweil, woher sie das alles weiß. Es muß unter den Dienstboten Neid herrschen, vielleicht wegen – jetzt fällt auch ihm die Fünfzig-Lire-Note ein, die er in einer Laune Doria zum neuen Jahr gesandt hat.
    Und als ob Elvira fähig wäre, in seinen Gedanken zu lesen, zerrt sie den ominösen Geldschein aus seiner wiedererweckten Erinnerung hervor, knallt nun doch den gewaltigsten Vorwurf, den sie ihm machen kann, auf den Tisch.
    Fünfzig Lire hast du ihr geschenkt. Du Saukerl!
    Ja, das stimmt. Eine Gratifikation, sie wollte einmal Mailand sehen, warum nicht?
    Elvira beruhigt sich langsam. Immerhin, er leugnet es nicht.
    Und das findest du normal ? Selbst wenn es stimmt , wie kannst du eine Dienstbotin so vor allen anderen privilegieren? So ungerecht verhält sich kein Dienstherr.
    Ja, gibt Giacomo zu, das sei vielleicht unbedacht gewesen, ein Fehler, eine Grille. Er sehe es ein. Aber Doria sei vollkommen unschuldig, das wolle er schwören, bei allen Heiligen.
    Wer und was ist dir schon heilig?
    Du zum Beispiel. Er küßt Elvira die Hand und bittet sie, ihm zu glauben.
    Du findest sie hübsch?
    Nein! Hübsch? Nein. Ich bitte dich! Sie ist ein gutes Mädchen, rührend auf ihre Art, aber hübsch? Nein.
    Nein, hübsch sei sie ja wirklich nicht besonders. Elvira verfällt überraschend in einen Ton, in dem Weinkenner über den neuen Jahrgang debattieren.
    Aber doch gut gewachsen. Willst du widersprechen?
    Naja. Ich habe anderes im Kopf, weißt du.
    Sie liebt dich. Du bist ihr Abgott. Wenn man ihr in die Augen sieht, weiß man es.
    Wirklich? Giacomo zuckt mit den Schultern. Das könne schon sein. Aber das sei keine Liebe , das sei die Verehrung des Bauerntrampels für den Maestro, mehr nicht, sozusagen eine gewisse servile Anhänglichkeit  …
    Die du genießt! Elvira lacht jetzt. Das Schlimmste ist vorüber.
    Genießen? Ich bitte dich, flüstert Giacomo, aber selbstverständlich sei jeder Künstler eitel und genieße Bewunderung, von wem auch immer, das sei doch ganz normal und unverfänglich.
    Sie macht dir hübsche Augen!
    Nein, keineswegs. Das weist Giacomo weit von sich. Nie habe sich Doria in irgendeiner Weise aufreizend benommen. Das einzige Mädchen, das ihm etwas bedeute, sei das Girl , an dem er arbeite. Sie müsse ihm glauben. Er legt seinen Kopf in Elviras Schoß. Sie schweigt, schweigt lange, dann spielen ihre Finger in seinen Locken.
    Gut. Wir wollen das alles vergessen. Wehe dir, wenn du lügst. Oder wenn du weitermachst wie bisher. Ich werde das alles auf sich beruhen lassen. Sie ist ja wirklich tüchtig. Es wäre ein Jammer, ihr kündigen zu müssen. Du wirst dich künftig ihr gegenüber verhalten, wie es der guten Sitte entspricht. Hörst du?
    Ja.
    Und den Kaffee bringt dir ab sofort Silvio. Oder Nicché, die Nachteule. Ich will, daß Doria nach acht Uhr abends nicht mehr in diesem Haus verkehrt, sie soll bei ihrer Mutter schlafen.
    Wenn du denkst.
    Zweifle nicht, daß ich denken kann! Ich habe gelernt zu denken!
    Kein Zweifel möglich.
    Kleiner Scheißkerl!
    Der Frieden ist vorläufig wiederhergestellt. Am nächsten Morgen (23. September 08) unterrichtet Elvira Doria davon, daß ihre Kammer ihr nur noch tagsüber zur Verfügung stehe, der Maestro komponiere nachts und wünsche keinerlei Ablenkung, welcher Art auch immer.
    Doria nimmt es hin, ohne Protest. Da inzwischen, bis auf Dolfino und den jüngsten Bruder Salvatore, alle ihre Geschwister Arbeit samt eigener Unterkunft haben, kann sie in der kleinen Wohnung ihrer Mutter ein freies Zimmerchen benutzen, kaum größer als ein Abstellraum.
    Und der Kaffee …?
    Dafür wird gesorgt, keine Angst.
    Ich habe Ihrem Gatten immer gerne zugehört, Signora, bei der Arbeit …
    Willst du damit sagen, ich täte das nicht?
    Das Mädchen ist verwirrt. Entschuldigung?
    Du hast genug Unruhe in dieses Haus gebracht, findest du nicht auch?
    Ich habe … Entschuldigung?
    Ja, eine Entschuldigung ist weiß Gott nötig. Akzeptiert. Geh jetzt und mach deine Arbeit!
    Sehr wohl, Signora.
    Die ahnungslose junge Frau weiß nicht mehr weiter und wendet sich an Padre Michelucci, den hochgewachsenen Dorfgeistlichen mit dem finsteren Gesicht, der bei

Weitere Kostenlose Bücher