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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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jetzt und in Zukunft entschlossen, das zu ändern. Ich will nicht länger belästigt werden und Schmerzen leiden – es genügt. Jene wenigen Jahre, die ich noch lebe, möchte ich so wenig »italienisch« ( er meint matriarchalisch ) wie möglich verbringen. (…)
    Später schreibt er ihr, in einem Brief vom 6. Februar 1909 , eine grobe Zusammenfassung der Geschehnisse, darin findet sich der folgende Satz:
    Elvira hat gegenüber Dorias Onkel behauptet, daß ein Mädchen, seine Tochter, Briefe überbracht habe. Daran ist nichts wahr, gar nichts .
    Hier schwindelt Giacomo, denn Giulia – sie ist gemeint – hat definitiv Briefe an Doria überbracht, wenn auch ganz harmlose – und daß er sich ein, zwei Mal heimlich mit Doria getroffen habe, um sie zu trösten, gibt er in einem anderen Brief offen zu. Er vermeidet, das vertraute Verhältnis zu Giulia auch nur anzudeuten. Es ist eines der wenigen Geheimnisse, das er Sybil erst spät offenbart. Wozu soll er ihr jetzt, ohne Notwendigkeit, die Illusion rauben, seine einzige weibliche Vertraute zu sein?
    Die Arbeit an der Fanciulla liegt schon wochenlang brach. Puccini kann sich begreiflicherweise nicht konzentrieren. Am 6. November, nachdem er seine Abwesenheit so lange wie irgend möglich ausgedehnt hat, kommt er nach Torre. Elvira hat ihn, trotz aller Beteuerungen, nicht verlassen. Alles geht genau so weiter wie zuvor. Er trifft sich alsbald, schon um irgendwas zu tun, still und heimlich mit Doria, bietet ihr Geld an, sie weist es zurück. Als könne Geld ihr helfen, was er sich dabei denke?
    Nun, ich denke, antwortet er, du könntest mit dem Geld ein paar Wochen lang verreisen.
    Sie sieht ihn ungläubig an. Verreisen? Ich? Wohin? Und dann? Wie das klingt! Unsereins verreist doch nicht. Meiner Familie sagen, ich sei verreist gewesen, wie eine Dame, und hätte das Geld dafür von Puccini bekommen und nicht zu Hause abgeliefert, nein, denn ich hätte ja verreisen müssen, ach, merkst du nichts? Wenn Mädchen wie ich schnell einmal verreisen müssen, dann um irgendwo abzutreiben, wo man sie nicht kennt. Es gibt kein Entkommen, und dein Geld hilft mir nichts, gar nichts.
    Ihre Familie hingegen fände das Geschenk wohl ganz hilfreich. Doria weiß das und verschweigt gegenüber ihrer Mutter Giacomos Offerte. Es würde wie eine Bestechung aussehen, wie Schweigegeld. Doria findet niemanden, mit dem sie reden kann.
    Giacomo indessen beschwört Fosca noch einmal, sie möge zugeben, alles erfunden zu haben.
    Fosca lacht nur und zeigt ihm den Vogel. GP verbietet ihr und Toto daraufhin offiziell das Haus, was Elvira um so mehr in Rage bringt, als sie keinen Zweifel an den Aussagen ihrer Tochter hegt.
    Zwei Briefe an Sybil reden Klartext: Am 18. November 1908 schreibt er: Der Bruch mit den Leonardi ist komplett – und am 27. November 1908 : Ich bin einigermaßen ruhig, das Verhältnis zu den Leonardi ist zerrüttet .
    Am 21. November schreibt Giacomo einen salbungsvollen Brief an Emilia Cinti, Dorias Mutter, in dem es heißt, daß an den Anschuldigungen kein Körnchen Wahrheit sei, daß er Doria gern habe und immer mit ihr zufrieden gewesen sei, daß es ihm jetzt sehr leid tue, wenn ihr so übel mitgespielt werde.
    Bösartige Leute, die den Kopf meiner Frau verwirrt haben, haben jene Gerüchte in die Welt gesetzt. Ich habe Ihre Tochter immer als ein Familienmitglied betrachtet .
    Auch Elvira leidet an der festgefahrenen Situation. Ihrer eigenen Tochter wurde das Haus verboten, und Doria verrammelt sich in ihrem Zimmer, sie kann das Mädchen nicht länger drangsalieren oder die Wahrheit aus ihr herausprügeln, Giacomo leugnet krampfhaft und markiert den wilden Mann, die Villa verwildert zusehends – etwas muß geschehen. Von daher ist Elviras plötzliches Einlenken gar nicht so überraschend, wie es auf den ersten Blick vielleicht wirkt.
    Die in einem Roman vielleicht für untragbar gehaltene, im Leben ungleich öfter auftretende Unwahrscheinlichkeit – wird Realität. Elvira bietet ihrem Mann folgendes Arrangement an: Doria darf, wenn auch unter strengen Auflagen (nach acht Uhr abends soll sie das Haus verlassen und vorher Elvira möglichst nicht unter die Augen kommen), wieder in der Villa arbeiten. Dafür bekommt sie ein Gehalt von 18 Lire im Monat.
    Doria, die an eine glückliche Wendung glaubt, an den Sieg der Vernunft, willigt sofort ein und kehrt am 22. November in den Dienst zurück. Körperlich geschwächt, gibt sie sich dennoch doppelt Mühe. Das Ganze geht gerade

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