Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
obwohl – stille Wasser seien bekanntlich oft tief usw. Er rät seiner Familie zur Zurückhaltung, man könne sich blamieren, ja ruinieren, wenn man Elvira jetzt anzeigt und sich am Ende herausstellt, daß sie die Wahrheit sagt. Die Manfredis sind arm, was könnten sie in einem Rechtsstreit schon ausrichten? Doria fühlt sich von aller Welt verlassen, ißt kaum noch, magert stark ab.
Auch Giulia verläßt nun das Haus, solidarisiert sich mit der Cousine, und Elvira sieht sich plötzlich gezwungen, ihre Mahlzeiten selbst zuzubereiten.
Puccini zögert seinen Paris-Aufenthalt so lange wie irgend möglich hinaus. Gegenüber Sybil deutet er sogar vage ein paar erotische Annehmlichkeiten an, die ihm in Paris verabreicht worden seien, und bevor er sich nach Hause wagt, verbringt er einige Tage in London, wo Sybil ihn trösten muß, danach noch fast zwei Wochen in Mailand, wo er an einem Ausschlag im Gesicht leidet ( ich sehe gesprenkelt aus wie der Kolben einer Winchester! ).
Als Elvira zu ihm stoßen will, gebraucht er alle möglichen Ausreden.
Brief Elviras an Ramelde, undatiert,
Anfang und Ende des Briefes fehlen.
Wahrscheinlichste Datierung: Ende Oktober 1908
(…) Davonjagen wollte er mich und ließ mir das auch über Ricordi ausrichten. Dann versprach er mir, mich gestern oder heute am späteren Abend zu treffen, heute dagegen schreibt er, daß er nicht weiß, wann er zurückkommt. Jetzt, hörst Du, habe ich alles getan, um diese Geschichte zu beenden, ich habe mich gedemütigt, ich habe gebettelt, aber angesichts dessen, daß nichts geholfen hat, habe ich beschlossen, mich von ihm zu trennen, und ich werde es tun, so vieles ist unnütz, ich werde für ihn nie mehr jene sein, die ich immer gewesen bin. Die Wunde ging zu tief und wird sich nie wieder schließen; daß er mich für so viele Tage allein gelassen hat, in dieser Weise leidend, hat mir den Schleier von den Augen gerissen und mich überzeugt, daß ich für ihn nichts bin. Wozu also weiter zusammenbleiben? Könnte ich wieder gemeinsam mit ihm in Ruhe leben? Nein. Also ist es besser, wenn jeder für sich bleibt. Ich will Dir nicht verhehlen, daß ich dabei großen Schmerz empfinden werde, denn, obwohl so getreten und gemartert, jenseits des Möglichen, bin ich ihm, ich schäme mich, es zu gestehen, immer noch gut. Aber den Mut, mit ihm zu leben, habe ich nicht mehr. Wer weiß, vielleicht läßt die Entfernung mich all das vergessen. Ich werde sicher nicht glücklich werden, aber hoffentlich ein wenig Frieden finden, und wenn ich ihn nicht finde – vom Leben, wie es ist, habe ich genug. Sicher gibt es Mittel und Wege, Ruhe zu erlangen. Sag mir nun Du, ob Du die Dinge verstehst wie ich, auch wenn mit jener Dienstmagd (…)
Elvira kommt dann doch für einen Tag nach Mailand (am 28.Oktober 1908), und die Ehegatten führen ein langes Gespräch, das eher einer Verhandlung gleicht.
Sofort wird Giacomo mit der anonymen Postkarte, die Abtreibung betreffend, konfrontiert. Er weist das Ganze weit von sich. Schwachsinn sei das. Ob sie allen Ernstes glaube, daß er, gesetzt den Fall, so eine Abtreibung in Viareggio habe machen lassen, um die Ecke?
Du durchtriebenes Schwein, ruft Elvira, willst dich verteidigen damit, daß du im Grunde noch durchtriebener zu sein behauptest, als ich dir vorwerfe?
Später wird Giacomo mutmaßen, Giulia sei indiskret gewesen, es kommt zu einem wenn auch kurzen Zerwürfnis zwischen den beiden, bis sich zuletzt Fosca als Schuldige (und Verfasserin der anonymen Postkarte) entpuppt.
Das Ganze ist derart kompliziert, daß Puccini Sybil gegenüber nicht einmal den Versuch unternimmt, die Vertracktheit der Lage mehr als nur anzudeuten. Was ihn schmerzen muß.
Am 30. Oktober abends trifft er den aus Deutschland zurückkommenden Tonio, der ihm, das fehlte noch, endgültig ankündigt, sein Studium der Technik aufgeben zu wollen, da nutze auch kein italienischsprachiges Institut, er habe einfach kein Talent. Der Vater macht ihm eine Riesenszene, verschafft ihm dann aber, dank seiner Beziehungen, eine Stelle beim Mailänder Autohändler Minetti, es ist das Beste, was er in der Kürze der Zeit für den Filius erreichen kann.
GP an Sybil, 3. November 1908 aus Mailand
Ich fahre Donnerstag nach Torre, weil am Donnerstag die L. ( die Leonardi ) abreisen, denen will ich nicht begegnen – ich bin jetzt ein wenig ruhiger.
Aber nehmen Sie bitte den Zorn und den Groll zur Kenntnis gegen all jene, die mir soviel Übles angetan haben. Ich bin
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