Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Gigi,
(…) Von Musik versteht Elvira kaum etwas, zeigt sich aber gern an meiner Seite in den Opernhäusern, führt ihre neuesten Kleider vor, zu Hause läuft sie recht nachlässig herum. Nach der Musik erwartet sie dann Dankbarkeit, für ihre Loyalität, für die Geduld, für ihr malträtiertes Sitzfleisch. Dabei sind gerade meine, sprich unsere Opern, nun wirklich nicht lang, ich weiß, daß die brauchbaren Opern der Zukunft allesamt nicht so lang sein werden. Wir sind nicht Wagner, wir sind gegen Wagner arme Würstchen, die sich besser einen neuen Beruf suchen sollten. Und dennoch –
Elvira ist eine gute Mutter, wie ich ein passabler Vater bin, das glaube ich von mir sagen zu können. Wenn nun zwei Eheleute, wir sind ja praktisch alte Eheleute, nur ohne Trauschein, miteinander nichts mehr anfangen können, dabei aber die Pflicht gegenüber dem Nachwuchs und der Familie nicht vernachlässigen, ich muß ja auch noch zwei meiner Schwestern versorgen und gebe Elvira manchmal Geld für Zuwendungen an ihre gierige Verwandtschaft, wenn das also so ist, dann kann man Gefühle nicht einklagen wie Pflichten, dann ist es in Ordnung, wenn jeder auf seine Weise nach dem sucht, was man am anderen vermisst. Das hat nichts mit fehlendem Respekt zu tun oder einer Herabwürdigung, noch trifft darauf das profane Wort Betrug , schließlich haben wir uns nie vor Gott etwas versprochen.
Gut, ich habe Fehler gemacht, ich habe auf die Diskretion meiner Freunde vertraut, auf das Briefgeheimnis, ja, das war dumm und naiv, manchmal bin ich schon dämlich, ich hätte wissen müssen, daß mein aus der Laune des Augenblicks entstandenes Preislied auf die Lust herumgezeigt werden würde, schön, auch habe ich mich hier und da in der Öffentlichkeit, was heißt Öffentlichkeit? Im Straßenverkehr, sozusagen, habe ich mich, allerdings nie in sittenloser Weise, mit dem Mädchen gezeigt, um das jetzt solcher Wahnsinn entstanden ist.
Mein Entschluß steht fest. Wenn die Butterfly beendet ist, sofern sie je beendet werden wird, schaffe ich klare Verhältnisse. Egal, was die Welt darüber denkt. Gebe Gott, daß ich je wieder arbeiten kann.
Am 10. Februar 1903 kehrt Puccini von der Jagd bei Pavia in sein Haus in Torre del Lago zurück. Marschiert wortlos an Elvira vorbei, steigt die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Schlägt die Tür zu.
Elvira schreit ihm hinterher. Du riechst noch nach ihr!
Er brüllt von oben herab, daß er vielleicht rieche, sie aber stinke.
Elvira erfährt an diesem Tag seelische wie physische Unterstützung von zweien ihrer Verwandten aus Florenz, der Schwester, Ida, und deren Gatten, Giuseppe Razzi, genannt Beppe. Vielleicht war den beiden eine Art Unterhändlerrolle zugedacht, jetzt jedenfalls ergreifen sie eindeutig Partei und verschärfen die Situation nur noch.
Elvira habe diesmal ganz recht, wirft Beppe dem Jagdgefährten und engen Freund vor, er benehme sich schäbig . Schäbig und obszön .
Giacomo bemüht sich, den dicken Menschen mit dem Mosesbart zu ignorieren. Freunde, die gegen ihn Position beziehen, sind die längste Zeit seine Freunde gewesen. Er stellt, für diesmal kämpferisch gelaunt, Elvira zur Rede. Ob ihre parasitäre Verwandtschaft dauernd hier rumlungern müsse? Ob die denn kein Zuhause hätten? Er sagt es so laut, daß alle es hören. Hören sollen.
Elvira, bleich geworden, entschuldigt sich bei Ida und Beppe. Seht ihr, was ich mit diesem Monstrum aushalten muß? Ihr seid meine Zeugen, wenn ich mich von ihm scheiden lasse.
Du bist gar nicht verheiratet mit ihm, wendet Ida zaghaft ein.
Nicht vor der Welt! Aber vor Gott! Und selbst Gott hat ihn satt!
Beppe Razzi pflegt, sobald er mit Giacomo allein ist, zu diesem ein herzlich-vertrautes Verhältnis. Er leidet, sobald er in seiner Funktion als Schwager Elviras auftreten – und seine Loyalität gegenüber dem Freund höheren Loyalitäten unterordnen muß.
Aber was kann man schon tun? Was hat Ida eben gesagt? Du bist gar nicht verheiratet mit ihm . Das ist die Lösung!
Wir sollten einsehen, murmelt Beppe, daß Giacomo hier nun mal der Hausherr ist, sich folglich in einer schwer attackierbaren Position befindet.
Wie bitte? Was sagst du?
Rein juristisch, meine ich.
Von oben dröhnt Giacomos Stimme: Deine windige Sippe soll sich verpissen!
Wir fahren besser, meint Beppe.
Wir lassen, sagt Ida, meine Schwester jetzt auf keinen Fall allein. Komm mit zu uns! Du brauchst ein paar Tage Ruhe.
Erneut, von oben, die Stimme: Ja! Haut ab! Alle!
Mit
Weitere Kostenlose Bücher