Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Beschäftige dich! Hast Du nicht mit dem Gedanken gespielt, irgendwann das Lehrerinnendiplom abzulegen? Bereite dich drauf vor, lies viel, das wird Dich ablenken, und was man hat, das hat man. Geh nicht jeden Abend aus, nichts ist so schnell mit Nichtigkeiten verschwendet wie die Jugend. Sende Deine Briefe künftig – ohne Absenderangabe bitte – an meinen Hausverwalter, Giulio Giovannoni, Torre del Lago, setze hinter seinen Namen ein kleines c, damit er Bescheid weiß und die Briefe ungeöffnet an mich weiterleitet.
Pagni, dem traue ich nicht mehr, und Giacchi behauptet, daß seine Frau, eine gute Freundin Elviras, ihm Schwierigkeiten machen wird. Du siehst, auf welche Verstrickungen man in so einem Dorf achtgeben muß. Das Geld für Deinen Unterhalt bekommst Du bar ausgehändigt vom Maestro Carignani. Du kennst ihn noch nicht, er ist in alles eingeweiht, wohnt in Mailand und wird in den nächsten Tagen bei Dir vorbeikommen. Ein Mensch mit gewissen Schnurren, aber einigermaßen verläßlich.
Carlo Carignani, der für Puccini die Klavierauszüge seiner Opern herstellt, ein Komponist, der hauptsächlich davon lebt, Unterricht zu geben, ist an die fünfzig Jahre alt, ein schmaler Mensch mit grauem Bart, überdimensioniertem Kinn und infantilen Neigungen. (Zum Beispiel, sich mit einem weißen Laken als Gespenst zu verkleiden und nachts Nachbarn zu erschrecken.) Wie angekündigt, überbringt er Coris Taschengeld, bekommt die junge Frau dabei zum ersten Mal zu Gesicht und macht ihr spontan Komplimente, von ihrer Schönheit tief bewegt. Seiner Gattin, Maria Carlotta del Chiaro, vom Typ her eine stolze Walküre, gesteht er am selben Abend, bis zur Unzurechnungsfähigkeit verliebt zu sein und neidisch auf Puccini. Sie solle ihm dreimal gegen den Kopf treten und ihm verbieten, jemals wieder diese süchtigmachende Person zu besuchen. Maria Carlotta befolgt seine Anweisungen aufs Wort.
Im Jahr darauf legt sich Giacomo ein geheimes Postfach in Viareggio zu, gründlich geläutert nach all den Problemen, die sich durch postalische Zwischenhändler ergeben haben. (ANM. 8)
Dr. Giacchi beugt sich über den Patienten, schneidet mit schwerer Gerätschaft, das einer monströsen Geflügelschere gleicht, den Gips durch, betrachtet das malade Bein, befühlt es mit zwei Fingern. Danach stellt er seine Begleitung vor. Einen ganz in Schwarz gekleideten, noch jungen Mann, kaum dreißig, mit strengen, wie in Stein gemeißelten Zügen, der neben der Tür wartet, bis er hinzugebeten wird.
Das sei Dr. Colzi, ein Experte aus Florenz. Eine Koryphäe, was komplizierte Brüche betrifft. Er habe den Sonntag genutzt, um herzukommen. Puccini reicht dem blassen, angespannt wirkenden Mann seine Hand.
Es ist mir eine Ehre, Sie untersuchen zu dürfen. Selbstverständlich werde ich nichts dafür berechnen.
Giacomo lächelt und meint zu Rodolfo, daran solle er sich gefälligst mal ein Beispiel nehmen.
Giacchi lächelt auch, doch etwas gequält. Weißt du, mein Freund, ich habe nämlich einen Verdacht. Ich wollte nicht allein darüber befinden, Dr. Colzi war sofort bereit, sich zur Verfügung zu stellen.
Puccini zieht die Brauen hoch. Was für ein Verdacht?
Dr. Colzi betastet das gebrochene Bein, drückt darauf herum, dreht es leicht, hebt es an, danach schnalzt er skeptisch mit der Zunge und meint zu Giacchi, er habe leider recht mit seiner Vermutung.
Verdacht? Vermutung? Von was die Rede sei, will Giacomo wissen. Sein Freund und Jagdgenosse Giacchi windet sich ein wenig.
Licht und Schatten, Jack, Licht und Schatten … Kollege Sbragia ist sicher kein schlechter Arzt, ganz gewiß nicht. Leider hatte er wenig Zeit, wenig Licht, mußte aus dem Stegreif … Was willst du mir sagen, Rodolfo?
Nun – das Bein, falsch geschient, wächst falsch zusammen. Wie gesagt, nichts gegen den Kollegen Sbragia …
Was willst du mir sagen, verfluchte Kacke?
Giacchi schweigt. Dr. Colzi formuliert es knapp und trocken. Das Bein müsse noch mal gebrochen werden.
Nein.
Leider.
Nein!
Giacchi packt seinen Freund beschwichtigend an den Schultern. Es hilft nichts, Giacomo! Mit Morphium ist das gar nicht so schlimm, wie es sich anhört. Wir dürfen dir leider wegen deines Diabetes nur sehr wenig davon geben, also beiß bitte ins Kissen!
Colzi zieht eine Spritze auf. Aus seiner riesigen schwarzen Ledertasche lugte schon die ganze Zeit über der hölzern-martialische Griff eines Werkzeugs. Puccini perlt der Schweiß in kleinen Bächen von der Stirn. Colzi greift
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