Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Maestro ist noch sehr müde.
Doria nickt, knickst ungelenk und verläßt, sichtlich erleichtert, das Zimmer.
Gefällt sie dir? Elvira klingt schelmisch, beinahe sarkastisch, als sie das fragt.
Ottima scelta ! applaudiert Giacomo, kaum weniger sarkastisch. Von all den jungen Mädchen hier am See hätte Elvira wohl keines auswählen können, das reizloser auf ihn gewirkt haben würde.
Ich dachte, vielleicht erinnert sie dich ein bißchen an deine Cio-Cio-San und kann dich inspirieren.
Elvira gibt ihm einen Kuß.
Ich bitte dich. So stellst du dir Cio-Cio-San vor? Als Bauerntrampel? Giacomo gibt sich halb entrüstet, halb amüsiert. Immerhin, jene flüchtige, unbewußte Geste des Mädchens, das ihre Finger dazu benutzen mußte, um bis siebzehn zu zählen, diese Geste hat ihm gefallen, hat ihn berührt. Ob man so etwas in die Regieanweisungen einer Oper einflechten kann?
17
Liebe Cori
Vor Tagen stand Tonio an meinem Krankenbett, sehr bedrückt, und hat mir Deinen Brief gebracht. Allerdings, wie er deutlich sagte, zum ersten und letzten Mal, er möchte nicht mein Bote, mein Merkur sein. Er benutzte noch ein anderes Wort. Das ist von seiner Warte aus verständlich. Der arme Junge zwischen den Fronten! Nie hätte ich ihn damit belasten dürfen. Jetzt will er aufs Internat, nach St. Gallen, und ich denke, ich werde ihm den Wunsch erfüllen. Glücklicherweise hat sich eine neue Möglichkeit ergeben, wie ich Dir meine Zeilen, meine Küsse, meine Verbundenheit zeigen und senden kann. Was fällt Dir ein, an mir zu zweifeln? Furchtsame Cori, es wird am Ende alles so werden, wie wir uns das von jeher erträumt haben. Zeige Dich bitte geduldig, so wie ich mich geduldig in meine Prüfung füge. Du willst einen Ring? Kauf einen, der Dir gefällt, und küss ihn, solange Du willst, ich bezahle ihn auch. Wozu hängt dein Herz an solchen Äußerlichkeiten?
Wie ich hier kämpfe, davon machst Du Dir kaum eine Vorstellung, sonst könntest Du nicht schreiben, als wäre ich ein verwundeter Held in einem von Scotts Romanen, den nur sein treues Pferd in die Heimaterde bringen muß, damit er gesundet. Das kaputte Bein ist lästig, aber es schmerzt nicht mehr stark und ist nur eine Randerscheinung jenes Chaos, das um mich her tobt. Der alte Ricordi ist nach Paris abgehauen, läßt es sich dort gutgehen, schweigt sich aus, alle dringenden Angelegenheiten, die den Verlag betreffen, muß ich nun mit Prinz Tito abstimmen, der meine Oper in Szene zu setzen gedenkt. Er ist mir ein ganz guter Freund und, wenn es ums Feiern geht, ein tapferer, früher hätte man gesagt, Haudegen .
Bei allem anderen, leider – und die Vorbereitung einer Premiere besteht aus tausend delikaten Finessen, die erledigt sein wollen – scheint mir seine Erfahrung nicht halb so groß wie sein Ehrgeiz. Er setzt mir quasi ein Ultimatum, will die Butterfly nächsten Februar auf der Bühne der Scala sehen, redet mir ein, der Zeitpunkt sei ideal, das Neue an meiner Oper bleibe sicher nicht immer neu, er habe Angst, daß meine Epigonen an mir vorbeiziehen könnten. Wohl wahr, mag sein, aber unter welchen Druck er mich setzt, weiß er das? Wenigstens kann ich inzwischen ein wenig arbeiten, die Instrumentierung des ersten Aktes macht Fortschritte, für den zweiten habe ich neue Ideen. Was ich nicht brauchen kann, ist noch mehr Druck oder das Gerede von Leuten, die nichts lieber täten, als sich über mich, über uns, das Maul zu zerreißen. Signor Giulio hat schon recht – die gegenwärtige, von der Zukunft noch ungefilterte Welt ist einfach gestrickt und bösartig. Wir heiraten, wenn die Butterfly triumphiert hat, vorher käme es einem Selbstmord gleich, und wenn Du jetzt einwendest, daß das Schicksal meiner Oper mir mehr am Herzen liegt als unseres, antworte ich: Ein Künstler ist seinem Werk verpflichtet. Er muß deswegen sein Wesen nicht verleugnen, sein persönliches Glück nicht hintanstellen. Aber es gibt immer einen Weg, um beidem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ein dorniger, schmaler Pfad, gewiß, doch er existiert und muß mit Voraussicht betreten werden, nicht planlos erstürmt. Wie sehr Du leidest unter dieser Situation, ist mir bewußt, aber ich bitte Dich auf Knien, bleibe gelassen und mach mir mein Leben nicht noch schwerer. Alles wird sich weisen, von selbst und bald.
Die siebzehntausend zärtlichsten Küsse sende ich Dir aus meinem Gefängnis, mögen sie Deine Angst vertreiben helfen, in tiefer Liebe, Giacomo.
P.S. Warum nicht die Zeit nutzen?
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