Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
nach dem Hammer. Im Wohnzimmer beten Elvira und Nitteti Rosenkränze und halten sich die Ohren zu.
( Es hat mit Puccini nichts zu tun, sei aber doch erwähnt: Dr. Colzi stirbt zwei Wochen später, am 4. April, an den Folgen eines Unfalls beim Tontaubenschießen. )
18
Doria Manfredi, deren Vater Riccardo, ein Bahnhofswärter, acht Jahre zuvor, am 15.11.1895, gestorben ist, zeigt sich überglücklich, ihrer Familie materiell unter die Arme greifen zu können, wiewohl dieser Aspekt zwar eine Rolle spielt, doch hinter der Ehre verblasst, im Haus des großen Puccini beschäftigt zu sein. Ihre Mutter, Emilia, die zuvor schon ab und an für Elvira Puccini Näharbeiten besorgt hat, reagiert zwiespältig. Einerseits ist sie dankbar für das Geld, das so ins Haus kommen wird, andererseits leidet sie unter verletztem Stolz. Obschon es der Familie selten besonders gut ging, hatte es kein Mitglied je nötig gehabt, in Dienst zu gehen. Nun hat Emilia aus Geldnot in eine kleine Wohnung umziehen und alle drei Töchter in fremde Haushalte vermitteln müssen. Adorna, die Älteste, ist beim Signore Salvatore Orlando untergekommen, Vittoria beim Conte Lieber, dem schweizerischen Botschafter, und Doria, die mittlere, bei Giacomo Puccini.
Der Ruhm des Maestro kaschiert den sozialen Abstieg zwar, ganz vergessen läßt er ihn nicht.
Der vier Jahre jüngere Bruder Dorias, Rodolfo, gerufen Dolfino, gibt sich offen skeptisch, vielmehr eifersüchtig, er grollt, weil ihm die geliebte Spielkameradin entzogen werden soll.
Puccini kann er darüber hinaus nicht leiden, sieht nicht ein, wie jemand so reich sein darf, wenn zur gleichen Zeit die schwer arbeitende Mutter so arm ist. Nur wegen etwas, das sich Musik nennt. Gedudel. Und als knickrig gilt der Mensch ja auch.
Ich hab’ gleich mein erstes Gehalt bekommen. Zwanzig Lire, für den nächsten Monat im voraus! Dorias Wangen röten sich vor Begeisterung. Sie zählt die Münzen und Scheine auf den Tisch.
Und? Wie ist es dort?
Das vorwitzige Brüderchen verlangt nach Details. Er ist überzeugt, Doria die Sache noch ausreden zu können, und kommt nur schwer damit zurecht, daß seine Schwester bei der Beschreibung ihres neuen Arbeitsplatzes ins Schwärmen gerät.
Eigenartig ist es dort. Er scheint gar nicht so geizig zu sein. Das Haus ist voller Menschen, die Karten spielen und rauchen, auch wenn der Maestro jetzt nicht mehr dabeisein darf. Sie kommen, einfach, weil sie es so gewohnt sind. Sie kommen, richten Grüße aus, Genesungswünsche und, als seis damit getan, setzen sie sich hin, und die Köchin bringt Kuchen und Wein.
Sie kommen einfach? Essen und trinken? Emilia schüttelt den Kopf. Dergleichen ist ihr unbegreiflich. Wo sie ihren Kindern nur sonntags mal einen Fisch vorsetzen kann, Fleisch nur an Feiertagen, es sei denn, der Schwager hätte gewildert.
Niemand muß nach etwas fragen. Die Maler kommen, wenn sie Lust haben, und immer muß irgendein Kuchen gebacken werden, und fast alle Lebensmittel, bis auf das Brot, werden aus Viareggio geliefert. Alle halbe Stunde wird auf den Maestro Giacomo Salut getrunken und laut gerufen, dann antwortet er manchmal. Mit schlimmen Worten, aber das ist nicht ernst gemeint. Manche Gäste sind Jäger und bringen geschossene Vögel mit, die werden dann gebraten, und den fettesten Vogel bringt einer hinauf zu ihm, als Liebesgabe. Sie singen auch viel. Signora Elvira gehen sie auf die Nerven, aber das scheinen sie zu genießen. Die Signora ist sehr nett und geduldig. Nur dem Signor Pagni hat sie das Haus verboten, das scheint ein recht Schlimmer zu sein, er hat dem Maestro geraten, sich von Elvira zu trennen, und die hat ihn dabei belauscht.
Halt dich von diesem Malervolk fern, rät die Mutter. Und wenn einer von denen verlangt, dich zu malen, sagst du höflich nein und läßt ihn stehn, verstanden?
Ja.
Im übrigen, fügt Emilia hinzu, wäre es ihr lieber, sie würde weiter unter diesem Dach übernachten.
Doria setzt ein erschrockenes Gesicht auf und widerspricht.
Ich habe doch eine eigene Kammer. Ganz für mich. Außerdem sind die Tageszeiten dort andere, manchmal gibt es noch um Mitternacht etwas zu tun.
Um Mitternacht? Wieso?
Der Maestro schreibt oft bis zum Morgengrauen Briefe. Um Mitternacht braucht er Kaffee.
Echten Kaffee?
Ich glaube nicht, daß er überhaupt weiß, daß es noch anderen gibt.
Wie ist er? Wie behandelt er dich?
Er ist ganz freundlich. Und traurig. Es schmerzt ihn sehr, daß er nicht aufstehen kann. Er sieht so oft
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