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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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erneut, diesmal ohne jeden Anlaß.
    Puccini fällt das gar nicht auf. Während er auf dem Klavier improvisiert, führt er die Unterhaltung weiter.
    Elvira ist sehr zufrieden mit dir, nennt dich eine Perle. Elvira ist nicht leicht zu erobern …
    Ich gebe mir Mühe.
    Ich weiß das. Geht es dir gut hier? Wirst du anständig behandelt?
    Gewiß, Sor Giacomo.
    Hör auf mit diesem Sor Giacomo! Ich nenne dich Doria, oder? Nenn du mich Giacomo.
    Das geht nicht.
    Nein? Puccini schmunzelt. Sagt Giacosa auch immer. Es gehe nicht. Wegen dem und dem und dem und dem. Und geht dann doch. So vieles geht. Das meiste an einem vorüber. Ungenutzt. Man müßte mehrere Leben zur Probe führen, um dann das eine für gültig erachtete zu leben.
    Doria nickt, aber was der Maestro eben gesagt hat anders als wörtlich wiederzugeben, fiele ihr schwer.
    Puccini komponiert die ganze Nacht hindurch, im Schein der Kerzen, ausgestattet mit Kaffee und Zigaretten – Un bel di vedremo. Die große Arie der Cio-Cio-San erlangt ihre Letztgestalt.
    Als der Morgen im Fenster steht, klappt Puccini den Flügel zu. Und bemerkt, daß Doria auf dem Kanapee eingeschlafen ist. Ihre Anwesenheit hat er zwischendurch völlig vergessen. Er beugt sich über die Schlafende, schnippt mit zwei Fingern vor ihrem Gesicht.
    Hallo?
    Doria erwacht, schreckt hoch, streicht ihr Kleid über die Knie.
    O Gott, ich bin eingeschlafen. Sor Giacomo! Es ist ja schon fast hell!
    Ja. Naja. Genug für heute. Ich möchte so gerne auf die Jagd gehen. Willst du mit mir auf die Jagd gehen? Mein Gewehr tragen? Hilf mir!
    Ich weiß nicht. Sie blinzelt verschüchtert, reibt sich den Schlaf aus den Augen, draußen zwitschern die Vögel, sie kann nicht klar denken, es ist noch ziemlich dunkel im Salon. Sonderbare Lichtverhältnisse, die etwas Ungewöhnliches haben, um nicht zu sagen etwas Verbotenes.
    Was soll denn dabei sein? Komm! Ganz leise!
    Puccini besitzt Übung im Umgang mit den Krücken, er verursacht kaum ein Geräusch.
    Im Jagdzimmer wird eines der doppelläufigen Gewehre aus dem Waffenschrank geholt, Doria ist sichtlich erstaunt über das Gewicht der Waffe, sie hat noch nie im Leben eine in der Hand gehalten.
    Das alte Ding sei ein Geschenk der Stadt Turin gewesen, anläßlich der Premiere von Manon Lescaut .
    Schön, antwortet Doria und betrachtet das Geschenk der Stadt Turin. Obgleich es noch dämmert, sind auf der Straße bereits etliche Gestalten unterwegs. Giacomo und Doria nehmen den Schleichweg durch den Garten, er humpelt voran, Doria trägt das Gewehr auf den Armbeugen quer zum Körper, stakst steif hinter ihm her, ein wenig sieht das aus, als würde sie ihre Hände zeigen, mit frischen Wundmalen darin. Der Weg führt am Haus Nomellinis und an dem der Tommasis vorbei, vorbei am alten, stillgelegten Wachturm, über einen schmalen Trampelpfad, durch Gestrüpp und Brombeerranken.
    Als sie das Schilf erreichen, hockt sich Giacomo ans Ufer. Es ist jetzt fast sieben Uhr, und niemand wundert sich, wenn um diese Zeit Schüsse fallen, es ist die bevorzugte Stunde der Jäger und Wilderer. Vom Marchese Ginori, dem der Massaciuccoli-See und die umliegenden Ländereien gehören, hat GP eine beinahe exklusive Lizenz zum ganzjährigen Abschuß von Wasservögeln erhalten. Als Gegenleistung, erzählt Puccini, habe er dem Marchese eine Komposition gewidmet.
    Wie seltsam es im Grunde doch sei, und wunderbar, sinniert Puccini, er stamme aus ärmlichen Verhältnissen, aber die Noten, Musiknoten stehen doch jedermann frei, man müsse sie nur in einer gewissen Reihenfolge aufs Papier schreiben und sie verwandelten sich prompt in Zauberformeln. Und was das allerbeste sei, der Marchese Ginori denke, er habe das bessere Geschäft gemacht, sein Name sei durch jene Widmung unsterblich geworden. Wie sie das finde?
    Stimmt es denn nicht? Doria kann sich so schnell zum Thema keine Meinung bilden.
    Ach Gott, nein, naja, vielleicht. Vorläufig vielleicht.
    Was es denn für eine Komposition gewesen sei, die er dem Marchese gewidmet habe?
    Die Bohème.
    Dann hat der Marchese wohl schon recht. Flüstert Doria. In diesem Moment stellt sie sich vor, wie es wäre, würde der Maestro ihr einmal Musik widmen, und sei es nur ein kurzes Liedchen.
    Viel besser wärs, vom Boot aus zu jagen, die aufgescheuchten Enten flögen meist in Richtung des Seemittelpunktes, man habe dann mehr Zeit für einen exakten Treffer, erläutert Giacomo dem Mädchen, nimmt ihm das Gewehr ab und lädt es mit zwei Patronen Kaliber 12.
    Warum

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