Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
Stolz. Bis ihm Sybil gegen Mitternacht eröffnet, dies alles habe nun einmal sein müssen, sie sei auch froh darum und erleichtert, man habe der eitlen und neugierigen Natur die Schuldigkeit erwiesen, erweisen müssen, das sei ihr klar gewesen, sie, die Frau, habe ihm, dem Mann, Respekt geschuldet, damit gut, sie gehe jetzt heim.
    Tatsächlich habe Sybil, so wird es ihre Schwester Violet viele Jahre später kolportieren, befürchtet, sich an den Mann Puccini zu gewöhnen, und habe Angst um ihre Ehe, mehr noch um ihre Söhne gehabt, die bei einem Skandal nebst nachfolgender Trennung sicher bei David geblieben wären. Einer jener Söhne, Vincent, wird behaupten, seine Mutter habe nach der Zangengeburt des Erstgeborenen Esmond nie mehr Lust auf Sex gehabt, und sein eigenes Dasein sei nur einem zweiten Marienwunder, einer Art unbefleckten Empfängnis zu verdanken. Wobei es ihm mit dieser ungewöhnlich indiskreten Offenbarung vor allem darum gegangen sein dürfte, jeglichem Verdacht einer intimen Beziehung zwischen seiner Mutter und Puccini den Nährboden zu entziehen.
    Puccini gesteht Sybil seine Liebe. Bei jeder Gelegenheit. Sie sei genau das, was sich jeder Mann, Mensch und Künstler an seine Seite wünsche. Sybil bittet ihn, um Gottes willen weniger pathetisch zu sein, sie seien beide erwachsen und müßten nicht krampfhaft die dummen Fehler begehen, die Zwanzigjährige nun mal nicht vermeiden könnten.
    Daß sie noch nie einen Orgasmus gehabt hat, verschweigt sie, um ihn nicht zu kränken. Sie weiß zudem nicht genau, was ein Orgasmus ist, vielleicht hatte sie ja doch mal einen und die Welt macht nur viel zu viel Getue darum. Kann doch sein. Als der Arzt ihr den kleinen Esmond in die Arme gelegt hat, da, glaubt sie, über die große Erleichterung hinaus etwas, vielleicht eine Art Orgasmus, gespürt zu haben. Wobei sie genaugenommen jenes Wort noch nie gehört oder gelesen hat, zu jener Zeit ist allenfalls vom ›Höhepunkt der Ekstase‹, vom ›süßen höchsten Glück‹ die Rede – und das sind ja doch recht schwammige Umschreibungen, vielfältig auszudeuten.
    Giacomo fragt leise, was er falsch gemacht habe? Gar nichts, gibt ihm Sybil verwundert zur Antwort, warum? Was sei denn da groß falsch zu machen?
    Giacomo ist konsterniert. Eben noch, so hat er es empfunden, habe der Himmel auf Erden hofgehalten. Wenn auch bei gelöschtem Licht. Er kann nicht glauben, daß das nur ein Ritual gewesen sein soll, damit man etwas hinter sich bringt . Damit es nicht mehr im Weg steht . Dann denkt er nach. Inzwischen ist er zwar die Krükken losgeworden, im Tausch gegen einen schmucken Spazierstock mit Elfenbeingriff, aber ein Jüngling ist er nicht mehr. Nester grauer Haare haben, empfunden wie Geschwüre, seine Schläfen befallen, er ist nicht eben schlank, und wenn man von einem Mann in seinen besten Jahren spricht, meint man damit eher dessen Geisteskraft, nie die physische Verfassung. Gerne hätte Sybil ihm erklärt, daß dies alles völlig nachrangig sei, daß der Liebhaber einer leidenschaftlichen Frau durchaus graumeliert und fettleibig sein darf, insofern die Frau eben leidenschaftlich ist. Was sie nun mal nicht sei. Und was sie ihm deswegen nicht überzeugend erklären kann, weil sie es keine Sekunde als Manko empfindet. Sie teilt es ihm in unaufgeregten Worten mit. Immerhin zeigen sich beide insoweit zufrieden, als ihre geistige Übereinkunft durch den Beischlaf keinen bleibenden Schaden davongetragen hat, außer einigen Tagen der Verwirrung, in denen Giacomo Versuche macht, das Vorgefallene zu wiederholen, vielmehr zu verbessern. In den zwei Wochen, die er in London verbringt, werden sie sich beinahe täglich sehen, küssen und in den Armen halten, das Bett teilen werden sie nie wieder. David reagiert eifersüchtig und mißtrauisch, aber auch auf gewisse Weise großzügig, er läßt die beiden kommentarlos durch die abendliche Metropole ziehen und täuscht, wenn er aufgefordert wird, doch mitzukommen, ein nie genauer bestimmtes Unwohlsein vor. Auf zartere Art ist selten Mißbilligung ausgedrückt worden. Giacomo nimmt den Unterton erst gar nicht wahr, Sybil hört ihn sehr wohl heraus, findet aber, daß David sich etwas kindisch benimmt. Sie beschließt, seine Empfindlichkeiten zu ignorieren. Schließlich hat sie in vollem Pflichtbewußtsein das Ihrige dazu getan, die Affäre zu bändigen, ist stolz auf ihre Disziplin und Willenskraft, David solle sich mal nicht so haben.
    Giacomos Faszination für Sybil bekommt einen

Weitere Kostenlose Bücher