Die Kleptomanin
Boshaftigkeit?«
»Meine Tinte zu nehmen. Jemand hat mit Absicht meine Tinte genommen, damit es so aussieht, als ob ich es gewesen sei. Es gibt hier eine ganze Menge Boshaftigkeit, Inspektor.«
Der Inspektor sah ihn scharf an. »Was genau meinen Sie damit, dass es hier eine Menge Boshaftigkeit gibt?«
Aber Nigel zog sich in sein Schneckenhaus zurück und wurde unverbindlich. »Ich habe an nichts Bestimmtes gedacht – nur, wenn so viele Leute zusammenwohnen, dann können sie manchmal ziemlich kleinlich werden.«
Die nächste Person auf Inspektor Sharpes Liste war Leonard Bateson. Len Bateson fühlte sich noch weniger wohl in seiner Haut als Nigel, nur dass es sich bei ihm anders äußerte. Er war misstrauisch und widerspenstig.
»Na gut!«, platzte er heraus, nachdem die ersten Routinefragen abgeschlossen waren. »Ich habe Celia den Kaffee eingeschenkt, und ich habe ihn ihr gebracht. Na und?«
»Sie haben ihr nach dem Abendessen den Kaffee gegeben – ist es das, was Sie sagen wollen, Mr Bateson?«
»Ja. Zumindest habe ich ihre Tasse mit Kaffee gefüllt und sie auf das Tischchen neben ihr gestellt. Und ob Sie es glauben oder nicht, zu dem Zeitpunkt war da kein Morphium drin.«
»Haben Sie gesehen, wie sie ihn getrunken hat?«
»Nein, ich habe nicht wirklich gesehen, wie sie ihn getrunken hat. Wir sind alle herumgelaufen, und ich wurde gleich danach in eine Diskussion verwickelt. Ich habe nicht bemerkt, wie sie ihn getrunken hat. Irgendwelche Leute haben davor gestanden.«
»Aha. Sie sagen also, dass im Prinzip jeder der Anwesenden ihr das Morphium in die Kaffeetasse geschüttet haben könnte?«
»Versuchen Sie mal, irgendjemandem was in die Tasse zu schütten! Jeder würde das mitbekommen.«
»Nicht unbedingt«, sagte Sharpe.
Len platzte in aggressivem Ton heraus: »Warum, zum Teufel, glauben Sie, hätte ich denn das Kind vergiften sollen? Ich hatte nichts gegen sie.«
»Ich habe ja gar nicht gesagt, dass Sie sie vergiftet haben.«
»Sie hat das Zeug selbst genommen. Sie muss es selbst genommen haben. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
»Das könnte man vielleicht glauben, wenn da nicht dieser gefälschte Abschiedsbrief wäre.«
»Was heißt hier ›gefälscht‹? Sie hat ihn doch geschrieben, oder etwa nicht?«
»Sie hat ihn geschrieben, aber es war der Teil eines Briefes, den sie an dem Morgen geschrieben hat.«
»Dann – dann könnte sie doch das Stück abgerissen haben und als Abschiedsbrief benutzt haben.«
»Aber, aber, Mr Bateson. Wenn Sie einen Abschiedsbrief schreiben wollen, dann tun Sie das auch. Dann nehmen Sie nicht einfach irgendeinen anderen Brief, den Sie vorher an jemanden anderen geschrieben haben, und schneiden sorgsam einen besonderen Satz heraus.«
»Warum nicht? Menschen tun die unglaublichsten Dinge.«
»In dem Fall: Wo ist der Rest des Briefes?«
»Woher soll ich das wissen? Das ist Ihr Fall und nicht meiner.«
»Das ist in der Tat so. Und Sie wären gut beraten, Mr Bateson, meine Fragen höflich zu beantworten.«
»Na schön, was wollen Sie wissen? Ich habe das Mädchen nicht getötet, und ich hatte auch wirklich keinen Grund dazu.«
»Mochten Sie sie?«
Len sagte in weniger aggressivem Ton: »Ich mochte sie sehr gern. Sie war ein nettes Mädchen. Ein bisschen dumm, aber nett.«
»Und haben Sie ihr geglaubt, als sie die Diebstähle gestanden hat, die hier in der letzten Zeit für Unruhe gesorgt haben?«
»Ja, natürlich habe ich es geglaubt. Sie hat es doch selbst gesagt. Aber ich muss sagen, dass es mir schon seltsam vorkam.«
»Sie glauben nicht, dass es in ihrer Art lag, so etwas zu tun?«
»Nein. Nicht wirklich.«
Leonards Widerspenstigkeit war jetzt verschwunden, wo er sich nicht länger verteidigen musste und über ein Problem nachdenken konnte, das ihn offensichtlich verblüffte.
»Sie schien mir nicht der Typ für eine Kleptomanin, wenn Sie wissen, was ich meine«, sagte er. »Und auch keine Diebin.«
»Aber können Sie sich denn einen anderen Grund vorstellen, warum sie das getan hat?«
»Einen anderen Grund? Was sollte es da für einen Grund geben?«
»Nun, sie könnte es zum Beispiel darauf angelegt haben, Mr Colin McNabbs Interesse zu erregen.«
»Das ist aber in bisschen weit hergeholt, finden Sie nicht?«
»Aber es hat sein Interesse hervorgerufen.«
»Ja, natürlich. Der alte Colin ist ja völlig wild auf jede Art von psychologischer Abnormität.«
»Ja, eben. Wenn Celia Austin das wusste…«
Len schüttelte den Kopf. »Da
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