Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
des IPCC steht die Erstellung von Berichten über den Stand der Klimaforschung mit jeweils kurzen Zusammenfassungen für Entscheidungsträger, den sogenannten „Summary for Policymakers“. Indirekt ging der Nobelpreis damit auch an Hunderte, vielleicht Tausende von Mitwirkenden, von denen viele, wie auch Hans von Storch als einer der Leitautoren des Sachstandsberichts, eine personalisierte Kopie der Nobel-Urkunde in Anerkennung ihrer freiwilligen Arbeit bekamen. In dem Bericht wird der Forschungsstand zusammengefasst und bewertet; die entsprechenden Berichte durchlaufen mehrere Begutachtungsverfahren, und die Leitautoren finden sich in regelmäßigen Abständen zu Arbeitstreffen zusammen. Das bringt ihnen und ihren Institutionen Renommee, geschieht aber auf sozusagen ehrenamtlicher Basis. Der Prozess wiederholt sich alle drei bis sieben Jahre.
Der Nobelpreis lenkte das Augenmerk des öffentlichen Interesses auf diese Institution, die wie keine andere das weltweit anerkannte Wissen über den Klimawandel formt und die Ausrichtung von nationaler und internationaler Klimapolitik vorbereitet. Auch wenn der Kern der Arbeit des IPCC aus einer Bestandsaufname des Standes der Klimaforschung nach allen Regeln wissenschaftlicher Kunst besteht, so ist es dennoch keine rein wissenschaftliche Institution. Vielmehr ist das IPCC ein Hybrid, ein Mischwesen, dessen Charakteristik in der historisch besonderen Verbindung besteht, welche die Wissenschaft hier mit der Politik eingegangen ist.
Die Gründung des IPCC erfolgte aus politischen und wissenschaftlichen Motiven zugleich. 21 Einerseits war es Ende der 1980er Jahre an der Zeit, die vielfältigen und oft auch widersprüchlichen Studien zum Klimawandel zu bewertenund zusammenzufassen, andererseits bestand politischer Handlungs- und Informationsbedarf, um dem Klimawandel ähnlich effektiv wie dem Ozonproblem begegnen zu können. Der Auftrag lautete, der „Conference of the Parties“ (COP), den Weltklimagipfeln, politikrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen hinsichtlich des Wissens über den Klimawandel, über seine Folgen und die Möglichkeiten, mit ihnen umzugehen. Immer wieder wird zu Recht betont, dass das IPCC keine „Empfehlungen“ an die Politik geben soll und darf, sondern nur „politikrelevante Information“. Der IPCC-Bericht ist eine Koproduktion von Wissenschaft und Politik, und schon allein die Tatsache, dass dem Weltklimarat der Nobelpreis für Frieden und nicht etwa für Physik verliehen wurde, verweist darauf, dass es sich beim Klimawandel nicht nur um ein wissenschaftliches Problem handelt.
Jedem der drei technischen Teile eines IPCC-Berichts – Physik des Klimas (1), Folgen des Klimawandels (2), Möglichkeiten des Umgangs (3) – liegt in Form der „Summaries for Policymakers“ eine Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger bei, die von allen Mitgliedsstaaten der UNO in einem langwierigen und trägen Prozess Zeile für Zeile gegengelesen und genehmigt wird, wobei die Wissenschaftler seit dem Vierten Bericht ein Vetorecht besitzen. Es werden Aussagen mit Attributen wie „sehr wahrscheinlich“, „wahrscheinlich“, „weniger wahrscheinlich“ usw. bewertet. 22 Idealerweise soll das IPCC nicht nur Konsens, sondern auch Dissens dokumentieren, also Uneinigkeit über die „Fakten“. Sozusagen Konsens über den Dissens – hier aber hakt es durchaus, wie der Interacademy Council im Nachgang zu den Ereignissen um die Jahreswende 2009/10 feststellte, als Interna der Kommunikation führender Wissenschaftler in Form von vielen E-Mails bekannt und die Schwierigkeit des IPCC im Umgang mit Fehlern deutlich wurden (siehe Kapitel 5).
Der Erste Bericht, der 1992 herauskam, war noch recht zurückhaltend hinsichtlich der Gründe für die Erwärmung; der Zweite Bericht aus dem Jahr 1995 formulierte schon, dass espraktisch klar sei, dass die Emissionen der Treibhausgase für die Erwärmung verantwortlich sind und dass für eine Begrenzung der Erwärmung eine Minderung der Emissionen erforderlich ist; im folgenden Dritten (2001) und Vierten (2007) Bericht festigte sich diese Position.
Die von „der Wissenschaft“ propagierte Möglichkeit, die Erwärmung durch massive Minderung der Emissionen zu begrenzen, führte dazu, dass das Klimathema hauptsächlich als ein Energieproblem definiert wurde. Das impliziert – und das muss man sich deutlich vor Augen halten –, dass jede diesbezügliche Aussage geopolitische Konsequenzen und Folgen für
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