Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
einzelne Länder, internationale Vereinbarungen und Abmachungen haben kann. Wissenschaftliche Schlussfolgerungen können wirtschaftliche Interessen und politische Ansprüche berühren, Verträge über die Reduzierung des weltweiten CO 2 -Ausstoßes können neue Märkte schaffen und betreffen ganze Volkswirtschaften und Lebensstile. Und tatsächlich hat sich die Klimapolitik zu einer Arena entwickelt, in der sich die veränderten Machtansprüche der Schwellenländer gegenüber den Industrienationen artikulieren, und wo der westliche Lebensstil von anderen Kulturen in Frage gestellt bzw. ein Anspruch auf einen solchen Lebensstil legitimiert wird.
Klimapolitik wird zu einem Instrument sowohl für nationale Entscheidungen, wie in Deutschland etwa die Energiewende, als auch für die internationale Regelung – oder Infragestellung – der Verhältnisse zwischen verschiedenen Nationen, speziell auch für Konzepte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung. Der Erfolg des IPCC beruht nicht zuletzt darauf, dass es diesen Balanceakt aushält.
Die Klimawissenschaften agieren hier in einem hochpolitischen Spannungsfeld, und die von Klimamaßnahmen betroffenen nationalen und supranationalen Institutionen haben dies auch schnell erkannt. Sie versuchen, sich die Klimawissenschaft zum Unterstützer zu machen. Dies geschieht auf der einen Seite dadurch, dass Aussagen über den Klimawandel „zugespitzt“ und die Reaktionsmöglichkeiten unterAndrohung der Klimakatastrophe oft auf eine einzige Dimension – Umstellung des Lebensstils und der Energiepolitik – eingeengt werden. Zweifel werden unter dem Hinweis auf die Autorität der Wissenschaft als kontraproduktiv marginalisiert. Auf der anderen Seite greifen „Skeptiker“ zielgerichtet solche Aussagen der Klimawissenschaft an, die entweder hochsignifikant für die Klimadebatte erscheinen (zunächst das historische Niveau der Treibhausgaskonzentrationen, später die Temperaturentwicklung aufgrund von Thermometerdaten) oder – für sie idealerweise – mit hoher wissenschaftlicher Unsicherheit belastet sind.
Die Verpflichtung zu Neutralität und Objektivität sowie der permanente politische Druck kreieren einen wissenschaftlichen Wahrheitsanspruch in den IPCC-Berichten, der die Klimawissenschaften angreifbar macht. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Resultate jeder Naturwissenschaft oft einen Unsicherheitsfaktor aufweisen. Im Falle der Klimaforschung picken Kritiker solche Resultate heraus, um politische Entscheidungen dadurch in Frage zu stellen; das naheliegende Argument lautet dann, dass doch zuerst wissenschaftliche Sicherheit geschaffen werden sollte, bevor weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Ebenso nutzen Aktivisten Einzelergebnisse der Klimaforschung, die in Aussage und Kontext noch nicht den erforderlichen Reifeprozess durchlaufen haben, um die Unaufschiebbarkeit von Aktionen zum Klimaschutz zu unterstreichen.
Dadurch werden die politischen Konflikte in die Klimawissenschaften hineingetragen und diese unter Druck gesetzt, wie Roger Pielke jr. in seinem Buch vom „ehrlichen Vermittler“ herausgearbeitet hat. 23 Die politische Debatte wird unweigerlich in die Wissenschaft verlagert, wie wir in den nächsten Kapiteln über die Hockeyschlägerdebatte (Kapitel 4) und die Climategate-Affäre (Kapitel 5) noch ausführlich darstellen werden.
Aber politische Konflikte können nicht in den Hinterzimmern der Wissenschaft „gelöst“, sondern sie müssen im öffentlichen Raum verhandelt werden, unter Einbeziehung von gesellschaftlichen Werten und kulturellen Präferenzen. Bedenklich ist dabei, welche Wirkung diese Verlagerung in das wissenschaftliche Milieu für die Praxis der Wissenschaft selbst hat. Nicht mehr der Klimawandel steht als objektives Phänomen im Zentrum: Jede wissenschaftliche Aussage kann sich dann in ein politisches Argument verwandeln, egal, ob der Wissenschaftler dies will oder nicht.
Fürs Erste bleibt festzuhalten, dass der Klimawandel mit der Verleihung des Friedensnobelpreises auf wissenschaftlich fundierte Weise die Weltbühne betreten hat und dass das IPCC mit seinem Sachstandsbericht die Wahrnehmung des Klimawandels, die Debatten darüber und letztlich auch die Ausrichtung der Klimawissenschaften entscheidend geformt hat. Doch zu seiner globalen Verbreitung auch jenseits der Wissenschaft und der politischen Zirkel bedurfte es noch eines weiteren Elementes: der Präsentation des menschengemachten Klimawandels im globalen
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