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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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Klimawandels akzeptieren, ohne seine Ursachen zu bekämpfen. Gegen Ende des Vortrags schließlich fordert Al Gore die Menschen auf, ihren Lebensstil zu ändern, und erwähnt dabei die sprichwörtlich gewordene Glühbirne, die durch eine Energiesparlampe ausgetauscht werden kann.
    In Al Gores Beweisführung spielen „die Wissenschaft“ und „der Wissenschaftler“ die zentrale Rolle. Er zitiert die berühmte Studie von Naomi Oreskes, wonach alle aktiven Klimaforscher den menschengemachten Klimawandel fürreal halten, und vergleicht diejenigen, die das anzweifeln, mit denen, die die Warnungen vor dem Faschismus ignoriert oder die Gefahren des Tabakrauchens geleugnet haben. Dem stellt er das Bild des verantwortungsvollen Wissenschaftlers gegenüber, der sich „der Wahrheit“ verpflichtet fühlt. Er demonstriert diese Wahrheit in immer neuen Varianten, als Schaubild oder Slapstickeinlage, wenn er zum Beispiel auf eine Hebebühne steigt, um die ansteigende Temperaturkurve zu zeigen. Wissenschaft findet in den von Sonnenlicht durchstrahlten und mit Weichzeichner gefilmten „heiligen“ Hallen der Universität statt, und Wissenschaftler wie John Revell werden als Lehrer dargestellt, welche nichts als der Wahrheit verpflichtet sind und diese an ihre Schüler weitergeben.
    Al Gore hat den Ruf eines eher langweiligen Redners, doch in seinem Vortrag streut er geschickt Gags und persönliche Referenzen ein, welche die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesseln: Er erzählt von seiner Familiengeschichte als Sohn eines Tabakpflanzers und vom Tod seiner Schwester durch Lungenkrebs; er berichtet, wie er am Krankenbett seines Sohnes eine Vision hatte, den Menschen von seinem Wissen um den Klimawandel berichten zu müssen, und schließlich lässt er die Zuhörer teilhaben an der Familienidylle in der amerikanischen Flusslandschaft seiner Kindheit. Diavorträge sind ein schwieriges Genre, und er meistert es mit Bravour.
    Einige Tage nach dem Vortrag findet in einem Seminar an der Universität von Texas eine Debatte darüber statt: Die Studenten, die den Vortrag (oder die Verfilmung) gesehen haben, zeigen sich tief bewegt. Für viele von ihnen, die aus abgelegenen texanischen Städten kommen, wo der Fernsehkanal Fox News und skeptische Radiomoderatoren wie Russ Limbaugh die öffentliche Meinung beherrschen, ist es das erste Mal, dass sie eine solche Sicht auf den Klimawandel kennenlernen. Dieser ist in den USA ein politisch hochsensibles Thema, und an der Universität ist Politik wiederum tabu. Wo der IPCC-Bericht wissenschaftlich zu abstrakt und der Klimawandel dem Zugriff der persönlichen Erfahrung entzogen ist, genau da setzt Al Gore an. Ob im Film oder in der Realität, Al Gore hat vielleicht wie kein anderer den Diskurs und die Bildersprache geprägt, mittels derer wir den Klimawandel wahrnehmen.
Erd(system)wissenschaften in Aktion
    Wie schwierig es ist, Wissenschaft, Politik und Populärkultur voneinander zu trennen, zeigt die Rolle der globalen Wissenschaftsorganisationen, die unter dem Dach der Vereinten Nationen oder anderer transnationaler Institutionen agieren. Vor den UN-Klimakonferenzen und anderen wichtigen klimapolitischen Anlässen werden von diesen Organisationen gezielt wissenschaftliche Konferenzen mit hohem Medienaufwand abgehalten und möglichst neue Forschungsresultate lanciert, um damit Druck auf die Politik auszuüben, entsprechende Maßnahmen zu beschließen und einzuleiten.
    Um dieser Anforderung gerecht zu werden, muss die Wissenschaft sich selbst neu konstituieren und dem Klimawandel über Disziplingrenzen hinweg einen Platz in ihrer Ordnung zuweisen. Anfang des neuen Jahrtausends stand sie also vor der komplexen Aufgabe, die Realität eines neuen Phänomens zu bestätigen, dessen große Relevanz für die Zukunft der Menschheit bekannt zu machen und sich gleichzeitig neu auszurichten. Dieser Prozess ist so vielschichtig, dass er kaum zu fassen ist, wie der Besuch einer Konferenz deutlich macht, die sich ausdrücklich solchen Zielen verschrieben hat.
    Im Jahr 2001 wurde in Amsterdam die „Open Science Conference“ von einem von der UNO lancierten Forschungsprogramm, dem IGBP (International Geosphere - Biosphere Program), organisiert. Sie brachte mehrere Hundert Klima- und Erdsystemforscher in einer riesigen Kongresshalle zusammen. Die Konferenz wurde bewusst vor die für die Implementierung des Kyoto-Protokolls entscheidende UN-Klimakonferenz in Bonn gelegt. Medienwirksam wurde dortgemeinsam mit dem IHDP

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