Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
sich in bisher bestehenden Sachkontroversen Einvernehmen herstellen lassen könnte, wurde als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt. Es stellte sich heraus, dass das Ergebnis am unteren Ende dieser Erwartungen lag – aber immerhin war damit ein Ausrufezeichen gesetzt.
Auf dem Workshop folgte Judith Curry den Gesprächen hinter aufgeklapptem Laptop, um ihre große Anhängerschaft auf „climate etc“ auf dem Laufenden zu halten; allein die Nachricht, dass sie in Lissabon angekommen sei, hatte auf ihrem Blog hunderte aufmunternde Kommentare zur Folge. Stephen Mosher, der die gehackten E-Mails als Erster gebloggt und ein Buch über Climategate geschrieben hatte, war ebenso da wie Steve McIntyre, der sich unter so vielen Akademikern anfangs sichtlich unwohl fühlte, was ihn aber nicht daran hinderte, seine eigene Odyssee in dieser Debatte minutiös zu schildern. Er gehört wie Ross McKitrick, ein ebenfalls legendärer Skeptiker, zu der Fraktion, die aus der Sicht von Ökonomen argumentieren: Ein Beratungsverhalten, wie es die Akademiker an den Tag legten, würde in der Industrie zu sofortiger Entlassung führen. Eine Behauptung, die angesichts der Finanzkrise bei manchen Stirnrunzeln hervorrief. Hans von Storch galt in diesem Kontext mangels anderer prominenter Teilnehmer aus dem Lager derer, die keinen Zweifel an der Tatsache des anthropogenen Klimawandels hegen, fast schon als Vertreter des Alarmismus, wenngleich noch einige andere Anwesende aus den Sozialwissenschaften diese Richtung vertraten. Der Ethnologe notierte eifrig das Stichwort „Nerds“ in sein Notizbuch angesichts dieser doch erstaunlichen Spezies von Menschen, deren Körperhaltung sich sichtlich ihrer Tätigkeit, dem Schreiben auf kleinen Laptops, angeglichen hat. Nur ein wichtiger Gast fehlte: Gavin Schmidt von „realclimate.org“ war eingeladen, hatte aber abgesagt. Was sogleich für Unruhe sorgte und die Gerüchteküche anheizte (schließlich war man unter Bloggern!): War er wirklich nicht gekommen, weil er der Ansicht ist, dass keine weitere Diskussion nötig sei, da die Wissenschaft alle Antworten parat habe? Unnötig zu sagen, dass dies- und jenseits des Atlantiks ob der Möglichkeit des „Kneifens“ ein kleiner „Shitstorm“ durch die virtuelle Blogosphäre blies.
Angesichts der Menge der Blogger, vor allem aber auch der Anwesenheit von Journalisten – Gerald Traufetter vom Spiegel und Fred Pearce, der u. a. für den New Scientist und den Guardian arbeitet und über die Klimadebatte ein weithin anerkanntes Buch geschrieben hat –, waren die von Jerry Ravetz eingesetzten „Chatham House Rules“ eine im Prinzip gute Idee: Diese besagen, dass keine namentlich gekennzeichneten Zitate nach draußen dringen dürfen. Was dennoch nicht verhindern konnte, dass Fred Pearce seinen im New Scientist erschienenen Artikel umändern musste, da er dort behauptet hatte, Gavin Schmidt sei nicht gekommen, weil er die Diskussion für unnötig hielt, was dieser kurz darauf von sich wies.
Auf dem Workshop kam es zu keiner Versöhnung – was man auch nicht wirklich hatte erwarten können. Dazu waren auch zu wenige prominente Vertreter der Warner anwesend; die meisten von ihnen wären wahrscheinlich sowieso nicht gekommen: Schließlich sind für sie sowohl die Hockeyschlägerdebatte als auch Climategate nichts als Manöver der Skeptiker, die entweder blind, Nicht-Akademiker bzw. Nicht-Klimawissenschaftler oder einfach von der Ölindustrie gekauft sind. Wozu mit ihnen reden? In Lissabon konnte man die Auswirkungen solcher Ausgrenzung in vielerlei Erzählungen und Diskussionsbeiträgen kennenlernen, auch Skeptiker haben Biografien und eine Würde. Dies war auch einer der Gründe dafür, dass man sich nicht auf eine gemeinsame Schlussstellungnahme einigte: Im Gegensatz zu den Alarmisten, so das Argument, haben Skeptiker keine gemeinsame Position oder Sache zu verteidigen außer dem Insistieren auf korrekter Wissenschaft und der Offenlegung der Daten. Dieser gemeinsame Nenner setzt kein gemeinsames politisches Interesse – wie auf der Gegenseite – voraus.
In einer längeren Spiegel-Online -Reportage berichtete Gerald Traufetter ausführlich von diesem Treffen unter dem Titel: „Der Klimakrieg kann weitergehen“, 62 Fred Pearce berichtete im Guardian und im New Scientist . Judith Currybloggte in mehreren Fortsetzungen auf „climate etc“, und der Workshop machte die Runde und führte, naturgemäß, zu nachdenklichen, moderaten, zustimmenden,
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