Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Klimawissenschaft, so Ravetz, war nicht erst seit Al Gore zu einer „evangelischen“ Wissenschaft geworden, mit einem Klimawandel als ihrem Gospel, der auf anthropogen in die Atmosphäre eingebrachten Treibhausgasen basiert. Die Abwehr von skeptischen Angriffen von außerhalb der Wissenschaft wurde zum Anlass genommen, vorhandene Unsicherheiten in den Forschungsresultaten zu negieren und sich dafür mit der Klimapolitik kurzzuschließen. Ein Prozess, der im Rahmen einer postnormalen Situation auch zu erwarten ist und sich auf lange Sicht als fatal erwiesen hatte.
Jerry Ravetz spart hier nicht mit drastischer Kritik: Er vergleicht diesen Kurzschluss mit dem von Tony Blair angesichts angeblicher Beweise der Giftgasproduktion im Irak. Die Klimaforschung wurde zum zentralen Argument in einem„Krieg gegen das Klima“ in Analogie zum „Krieg gegen Drogen“ oder dem „Krieg gegen den Terror“: Ravetz scheut nicht vor starken Vergleichen zurück, wenn es darum geht, die Folgen von Absprachen und Manipulationen – unter anderem die Gleichsetzung von Kritikern mit Holocaustleugnern – aufzuzeigen.
Doch Climategate setzte für Ravetz auch ein positives und in die Zukunft weisendes Signal: Der Skandal wurde schnell und effektiv publiziert, und zwar in der Blogosphäre, wo zuvor schon lange isoliert, aber dennoch explizit Kritik geübt wurde. Ein Prozess wurde in Gang gesetzt, den Jerry Ravetz als „erweiterte Peer Review“ versteht: eine Gemeinschaft von Experten jenseits der engen akademischen Tradition der Qualitätsbegutachtung wissenschaftlicher Arbeit arbeitete die Aussagen der Klimaforschung kritisch auf. Hierbei sind in der Regel nicht Fragen der wissenschaftlichen Vorgehensweise selbst gemeint, sondern der Kontext, die Themen- und Aufgabenstellung, die politischen Implikationen oder das Qualitäts- und Unsicherheitsmanagement; diese können von dem erweiterten Kollektiv der Blogger bewertet, beurteilt, in einen kollektiven Prozess reflektiert und geprüft werden, wie es sich für eine Demokratie durchaus geziemt.
Man braucht hier Ravetz nicht in allen Einzelheiten zu folgen, doch sein Verdacht, dass eine Art kollektiver Hysterie ein Phänomen hervorgebracht hat, das dem objektiven wissenschaftlichen Test gar nicht standhalten kann, ist provozierend: Was, wenn die These vom menschengemachten Klimawandel so gar nicht aufrechtzuerhalten ist? Schon jetzt sind die Folgen für die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaften desaströs, und die bisherige Klimapolitik, die sich stark von einer politisierten Wissenschaft leiten lässt, erweist sich weiterhin als wenig wirksam.
Ohne Zweifel war sich Ravetz der Provokation bewusst, diese Kritik auf einem Blog zu veröffentlichen, der für seine gnadenlose Kritik am Alarmismus und seinen rauen Umgangston bekannt ist. Das Zeichen, das er damit setzt, spiegelt nicht seine Haltung zum Klimawandel wider, sondern seine Anerkennung der skeptischen Blogosphäre, die diese Kritik ermöglicht und veröffentlicht. Der Artikel von Ravetz schlug hohe Wellen und stieß auf große Beachtung nicht nur im Umfeld der Skeptiker.
Versöhnung in Lissabon?
Jerry Ravetz beließ es nicht bei diesem Beitrag in der Blogosphäre, sondern organisierte mit einer portugiesischen Kollegin im Januar 2011 einen Workshop in Lissabon mit dem überraschenden Titel: „Versöhnung in der Klimadebatte“. Ursprünglich war ein eher naturwissenschaftlich orientierter Workshop geplant, in dem Vertreter beider Lager – Skeptiker und Warner – einmal zusammentragen sollten, was als Minimalkonsens in der Klimawissenschaft von beiden anerkannt würde.
Doch bereits im Vorfeld stellte sich heraus, dass es zuerst einmal ganz allgemeinen Gesprächsbedarf gab. So reisten wir nach Lissabon, um dort mit Jerry Ravetz, Klimaforschern, Kulturwissenschaftlern, Journalisten und prominenten skeptischen Klimabloggern zwei Tage lang darüber zu diskutieren, ob Versöhnung überhaupt möglich ist und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Ravetz hatte dabei bestimmte Formen von gewaltloser Kommunikation zwischen antagonistischen Gruppen im Sinn; als Beispiel verwies er auf die Gespräche zwischen irisch und britisch orientierten Parteien in Nordirland in den 1980er und 1990er Jahren oder die Wahrheitskommissionen in Südafrika. Seine Erwartungen waren durchaus begrenzt: Wenn sich Gespräche initiieren lassen, die thematisieren, wie man denn überhaupt miteinander Probleme besprechen könnte, wäre das schon ein Erfolg; dass
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