Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
sind anonym gehalten, wie dies durchaus auch bei anderen Themen im Internet üblich ist. Aus Beiträgen und Gesprächen wissen wir, dass manche Lehrer im Kollegium nicht als Skeptiker erkannt werden wollen oder Doktoranden oder Postdocs negative Auswirkungen auf ihre Stellung befürchten. Andere wiederum sind abgeschreckt von dem manchmal rauen Ton oder der Stammtischatmosphäre vieler Diskussionen. Die Anonymität bestärkt, wie viele Untersuchungen und auch unsere Erfahrungen zeigen, genau ein solches Verhalten. Die Politik der Klimazwiebel ist es, Beschimpfungen oder auch nur unbegründet vorgebrachte starke Meinungsäußerungen weitgehend zu unterbinden.
Doch hinter diesem allgemeinen Muster steckt noch mehr. Tatsächlich wird die Klimadebatte nicht nur in der Blogosphäre, sondern auch in der Wissenschaft weitgehend von Männern geführt. Es reicht nicht aus, diese offensichtliche Tatsache einfach ins Genderseminar abzuschieben. Vielmehr stellt sich angesichts mancher Debatten auf der Klimazwiebel und anderswo tatsächlich die Frage, wie geschlechtlich konnotiert die Aufteilung in „harte“ und „weiche“ Wissenschaften, in „Erklären“ und „Verstehen“ eigentlich ist. Oder, anders ausgedrückt, wie männlich das Klima in der Klimadebatte ist. Das zentrale Charakteristikum vieler Beiträge auch auf der Klimazwiebel ist, trotz der Beschwörung des „honest broker“, dass die Naturwissenschaft letztlich doch im Besitz der Wahrheit und damit auch der Lösung des Klimaproblems ist. Die Grenze zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften muss immer wieder neu gezogen werden, damit sich die Gebiete nicht vermischen. Wissenschaft ist neutral, objektiv, geschichts- und ortlos: dieses Credo muss umso öfter wiederholt werden, je tiefer die Klimawissenschaft sich in der Politikund im Menschlichen verirrt. Viele der Reaktionen auf ethnologische oder soziologische Interventionen dienen als Anlass, durch ihre Verurteilung, Kritik oder häufig auch brüske Ablehnung diese Grenze zu markieren. Geradezu hysterisch sind oft Reaktionen auf politische oder poetische Herangehensweisen, wie sie auf der Klimazwiebel immer wieder vorgeschlagen werden – oder aber sie werden stillschweigend ignoriert. Alternative Herangehensweisen werden dann als unwissenschaftlich charakterisiert, lächerlich gemacht oder manchmal als feminin gebrandmarkt. Legendär war eine Debatte über einen Beitrag der amerikanischen Aktivistin Naomi Klein, in deren Person sich mit dem Weiblichen und dem Politischen gleich zwei solcher Gefahren für die objektive Wissenschaft vereinten: Herren, die saubere Wissenschaftlichkeit wie einen Ausweis vor sich her tragen, liefen Gefahr, die Contenance zu verlieren angesichts der unverhohlenen Politisierung der Klimafrage, und dann auch noch durch eine Frau.
Hier rächt sich, dass die Naturwissenschaften die bereits erwähnten „science wars“ gewonnen haben, ohne sich einer Debatte über die gesellschaftliche Natur von Erkenntnis wirklich zu stellen. „Political correctness“ gilt vielen als ein Schimpfwort, und die Diskussionen über Feminismus, Rassismus oder andere Formen kulturell inszenierter Ungleichheit scheinen oft schlichtweg niemals stattgefunden zu haben. Im wissenschaftlichen Alltag wie in der Blogosphäre sind es mehr oder weniger subtile Mechanismen, mit denen Frauen aus der Diskussion gekickt werden. Von einzelnen Gesprächen wissen wir, dass manche unserer Kolleginnen vor dem schulterklopfenden, oft sexistisch unterlegten Umgangston ihrer männlichen Kollegen zurückschrecken und davon absehen, an den Blogs teilzunehmen. Daran ändern auch nichts die Ausnahmen wie Judith Curry in der Blogosphäre oder Gabriele Hegerl 60 in der Klimawissenschaft, die sich nicht wegen des Fehlens solcher Mechanismen, sondern eben trotz dieser durchgesetzt haben.
Natürlich kann die Klimafrage nicht auf diesen Aspekt verkürzt werden. In einem weiteren Sinne dient der Genderaspekt als eine Chiffre für den generellen Zugang zum Klima als einem äußerlichen und rein technischen Problem auf der einen und als einem gesellschaftlichen und „lebensweltlichen“ Problem auf der anderen Seite. Die Frage nach dem „Geschlecht des Klimas“ setzt sich im übertragenen Sinn fort in der Debatte über Geoengineering, also großtechnische Lösungen, über Möglichkeiten der Steuerung und Lenkung von Märkten und Bevölkerungen – dem „social engineering“ – oder über die Möglichkeiten der Änderung der
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