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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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Lebensführung, möglicher Grenzen des Wachstums usw.; kurz, in der Klimadebatte in all ihrer Breite und Widersprüchlichkeit, wie wir sie heute führen. Es geht, wie gesagt, nicht darum, diese Debatten auf die Frage des Geschlechts zu reduzieren; vielmehr eröffnet der Fokus auf Gender einen Zugang zur Klimadebatte als einer, die uns nicht äußerlich, sondern tief in unserer Lebenswirklichkeit verankert ist.
    Diese fundamentale Verunsicherung hat viel damit zu tun, dass die Klimaforschung ihre absolute Autorität darüber verloren hat, wie das Klimathema wahrgenommen wird, welche Informationen an die Politik und die Öffentlichkeit gelangen und welche nicht. Im besten Fall machen Blogs wie die Klimazwiebel die Grenzen und Brüche in der Klimadebatte transparent und thematisieren auch den Forschungsprozess und den Wissenstransfer selbst als integralen Bestandteil der Klimadebatte.
Postnormale Wissenschaft und die Blogosphäre
    Der Einfluss der Blogosphäre auf die Klimaforschung ist nur schwer zu ermessen. Die Hockeyschlägerdebatte und Climategate waren, wie wir bereits gesehen haben, Ereignisse, die ohne ihre Kommentierung auf Blogs kaum denkbar sind.Was geschieht, wenn man die Blogosphäre tatsächlich als eine Möglichkeit ernst nimmt, die Klimaforschung in der gesellschaftlichen Praxis zu erden?
    Hier greift das Konzept einer „postnormalen Wissenschaft“, wie es Jerry Ravetz gemeinsam mit Silvio Funtowicz in den 1980er Jahren entwickelte für Fälle, in der Wissenschaft an ihre Grenzen in der Beratung von Gesellschaft und Politik stößt. Wie bereits erwähnt, ist in einer solchen Lage das zur Verfügung stehende Wissen inhärent und unvermeidlich unsicher, gesellschaftliche Werte spielen in den Erkenntnisprozess hinein, die Risiken sind hoch und Entscheidungen sind dringend. Die Thesen einer postnormalen Wissenschaft werden in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert, nicht nur wie bei „normaler“ Wissenschaft unter den Fachkollegen; von außen werden kontroverse Wissensansprüche angemeldet, um den politischen Prozess zu beeinflussen.
    In Folge von Climategate begann sich einer der beiden Begründer des Konzepts der postnormalen Wissenschaft, Jerry Ravetz, für die Klimadebatte zu interessieren und wendete sein Konzept auf die Klimaforschung und ihre Rolle in der Klimapolitik an. Er tat dies im grenzenlosen Raum des Internets, indem er einen Artikel auf einem skeptischen Blog veröffentlichte, der große Reaktionen – auch auf der Klimazwiebel – hervorrief. Diese Intervention von Jerry Ravetz, die ihren Ausgangspunkt in der Blogosphäre nahm, mündete in eine Folge von Workshops in Lissabon und Hamburg, unter Beteiligung von uns beiden Klimazwiebel-Autoren. Aus diesen Aktivitäten entstanden neue Netzwerke und Diskurse über das Verhältnis von Klimaforschung, Politik und Öffentlichkeit. Ein Prozess, den wir im Folgenden nachvollziehen werden.
    Ausgangspunkt dieser Kette von Ereignissen war jener Beitrag von Jerry Ravetz mit dem Titel: „Climategate: Plausibility and the blogosphere in the post-normal age“, 61 den er auf dem Blog „wattsupwiththat.com“, einer Hochburg des Skeptizismus, veröffentlichte. In diesem Post bekennt Jerry Ravetz,dass er sich bis Climategate nicht besonders viele Gedanken um die Klimadebatte gemacht hatte. Obwohl er die Hockeyschlägerdebatte in den Medien mitverfolgt hatte, war er davon überzeugt, dass die Wissenschaft die Ursache des Klimawandels richtig erkannt und der UNO-Klimarat IPCC den Wissensstand über den bedrohlichen Zustand des Klimas korrekt beschrieben hatte; die Debatte also als erledigt betrachtet werden konnte. Erst durch Climategate wurde er nachdenklich und fragte sich, wieso sein kritischer Verstand eigentlich so lange abgeschaltet gewesen war.
    An Climategate machte ihn besonders stutzig, dass der Kampf der Forscher mit äußerst harten Bandagen nicht auf böse Einflüsse von außen – der Ölindustrie oder Interessensgruppen – zurückgeführt werden konnte, sondern dass womöglich auch die guten Absichten wohlmeinender Forscher für die unlauteren Methoden, die sich in den Mails offenbarten, und die auf ihre Veröffentlichung folgende Krise verantwortlich waren. Das Problem war eines, das ihm von anderen Fällen „postnormaler Wissenschaft“ her vertraut war: Die Krise der Glaubwürdigkeit resultierte aus einem katastrophalen Mangel an Unsicherheits- und Qualitätsmanagement sowie einem Verbergen gesellschaftlicher Motive.

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