Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Voranschreiten der Debatten hat eine sozusagen subkutane Wirkung. Zumindest unserer Erfahrung nach hat der Klimaskeptizismus in den letzten Jahren an Seriosität und Akzeptanz hinzugewonnen. Paradoxerweise gilt dasselbe für die Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels, allerdings mit einer Abschwächung der alarmistischen Haltung.
Dies sind, wohlgemerkt, eher „gefühlte“ atmosphärische Veränderungen in der Blogosphäre. Was jedoch eindeutig festzustellen ist, ist eine Veränderung in der Presseberichterstattung zum Klimawandel. Zwar werden immer noch viele von den Forschungsinstituten herausgegebene Meldungen, die durch den Presseverteiler gehen, unkommentiert übernommen und vermitteln den Eindruck eines permanenten Weltuntergangs, aber gleichzeitig nimmt die Qualität in den Berichten zu. Gerald Traufetter vom Spiegel referierte in Lissabon, dass er als Journalist nicht mehr nur die Politik kritisch hinterfragt, sondern auch die Wissenschaft. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass Journalisten auf Tagungen und Workshops anzutreffen sind und vor allem auch Blogs lesen, um sich zusätzlich zu informieren. Es ist kein Zufall, dass in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung über den Rückgang des Meereises in der Arktis Judith Currys Einschätzung von ihrem Blog zitiert wird. Sie hat dort die relevante Literatur zum Thema lesbar aufbereitet und nimmt selbst eine Bewertung vor: Der Rückgang sei ihrer Meinung nach zu 50 Prozent, plus minus 20 Prozent, auf den Anstieg von Treibhausgasen wie CO 2 zurückzuführen. Damit hat das letzte Wort in diesem wie in vielen anderen Berichten immer öfter das erwähnte „Unsicherheitsmonster“. Es ist ein immer öfter anzutreffender Gast wenn es darum geht, über das Verhältnis von Klimaforschung und Klimapolitik zu streiten, in und außerhalb der Blogosphäre.
Es nicht zu übersehen, dass am Lagerfeuer der Klimazwiebel eine Konversation stattfindet, die Akteure mit unterschiedlichem Hintergrund versammelt. Viele Beiträge auf der Klimazwiebel befassen sich genau damit: dass eine regelrechte Kultur des Klimawandels entstanden ist. Auch wenn die Naturwissenschaften die Debatte noch immer dominieren sind die Skandale und Geschichten, der Gebrauch der Metaphern, Symbole und der Ikonographie unübersehbar „kulturell“, wie Sozial- und Kulturwissenschaftler auf der Klimazwiebel in vielen Beiträgen nicht müde werden zu betonen. Diese ethnologischen Betrachtungen hinterlassen im Blogalltag oft Ratlosigkeit unter den zumeist (männlichen) Ingenieuren, selbsternannten oder tatsächlichen Fachleuten und Wissenschaftlern; doch wie Sedimente mit jedem Sturm an Land gespült werden, so schleicht sich mit jeder Fortsetzung der Debatte wieder die Kultur ein, als eine dem Klima eben nicht gegenüberstehende, sondern ihm inhärente Dimension. Die Klimazwiebel hat mit ihrem Lagerfeuer längst selbst ihren kleinen Teil dazu beigetragen, die aktuelle Debatte um den menschengemachten Klimawandel in die große Menschheitserzählung der Klimakultur einzubetten. Diese werden wir im folgenden Kapitel genauer beleuchten.
8. Wege aus der Klimafalle: Den Klimawandel in die Welt bringen
Wie wir in den letzten Kapiteln gesehen haben, besteht die Klimafalle darin, dass der menschengemachte Klimawandel als eine rein naturwissenschaftliche Frage dargestellt wird. Dadurch werden die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Reaktion auf den Klimawandel als dem naturwissenschaftlichen Wissen nachgeordnet verstanden. Naturwissenschaft repräsentiert in diesem Duktus „Wahrheit“, und die Folgerungen aus diesem Wissen sind unabweisbar, nicht mehr verhandelbar.
Drei Vorbehalte gegen dieses Vorgehen sind besonders gravierend. Erstens entmündigt es die sozialen Akteure und schränkt demokratische Willensbildung massiv ein. In anderen Worten: Die Klimapolitik wird entpolitisiert. 87 Zweitens wird die nötige politische Debatte über den Umgang mit dem Klimawandel in elitäre Seminarräume voller Fachidioten verbannt, wo apokalyptische Szenarien und Dogmen wie „Was nicht sein darf, das kann nicht sein“ blühen, während die in der Wissenschaft unabdingbare permanente Skepsis und die Notwendigkeit von Falsifikationsversuchen als Defätismus („wird von den Skeptikern missbraucht“) unter die Räder kommen. In anderen Worten: Die Wissenschaft wird politisiert. Die Nützlichkeit einer Aussage steht im Zentrum und nicht die Wissenschaftlichkeit (Qualität der Methodik), die zu der Aussage
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