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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Kohlendioxidrechte. Dies belaste Firmen so sehr, so dass sie mit ihrer Produktion in billigere Länder ausweichen würden. »Das ist Unsinn«, widerspricht Edwards von Citigroup. »Durch den Emissionshandel wird es billiger für die Unternehmen.« Er kann auch das Lamento nicht mehr hören, dass der Emissionsmarkt so instabil sei, somit nicht für die nötige Stabilität für die Unternehmen sorge, um ein Preissignal zu setzen, das schnell seine Wirkung entfalte. »Es stimmt nicht, der Markt ist nicht volatiler als andere Märkte. Denken Sie an Öl oder den Euro: Beklagt sich da jemand, dass der Markt schwankt? Das ist nun einmal so in Märkten.«
    Edwards hat recht, so lange die Emissionsrechte von den Staaten kostenlos ausgegeben werden, und er liegt richtig damit, was die Energieversorger anbelangt. Die können ihre |149| Kosten für Emissionsrechte an die Kunden weiterleiten, dank ihrer oft monopolähnlichen Stellung und der Tatsache, dass die meisten Stromverbraucher nicht einfach nach China abwandern können. Doch für energieintensive Industrien wie Zement, Aluminium, Stahl oder Chemie wird die Produktion in Europa ab 2013 in der Tat teurer. Sie zahlen doppelt drauf: durch den nun höheren Strompreis und für die Emissionsrechte, die sie demnächst ersteigern müssen. Dies gefährdet vor allem die Konkurrenzfähigkeit europäischer Exporte.
    Denn Europa ist entgegen der weit verbreiteten Vorstellung stärker als seine globalen Wettbewerber in Industriezweigen spezialisiert, die CO2-intensiv sind (CO2–Intensität beschreibt die Menge an Kohlendioxid, die pro Exporteinheit emittiert wird) und daher mehr anfällig für Regulierungen, die Kohlendioxid bepreisen. Darauf verweist eine Studie des Bruegel Institutes in Brüssel, einer Denkfabrik für Wirtschaftspolitik. Europa exportiert einen Mix aus kapital-, forschungs- und arbeitsintensiven Gütern. Japan und die USA hingegen führen stärker forschungsintensive Waren aus.
    Die Politik in Europa sieht sich hier in einem Dilemma. Die Industrie soll mittels Emissionshandel gedrängt werden,
umweltfreundlicher
zu produzieren. Doch sie darf nicht so stark belastet werden, dass sie ihre Fabriken in die Ukraine verlagert. Und das nicht nur wegen der Menschen, die dann ihren Job los sind, und der Steuereinnahmen, die dann fehlen. Dem Klima wäre damit auch nicht geholfen. Verlagert ein deutscher
Zementhersteller
seine Produktion in die Ukraine, bläst er dort aufgrund der niedrigen Standards weitaus mehr Treibhausgase in die Luft als in Mannheim.
    Was also tun, um die heimische Wirtschaft nicht zu verprellen und das Klima dennoch zu schützen? Helfen könnte ein weltweiter Emissionshandel. Doch das ist Zukunftsmusik, |150| und so denken Politiker in Europa über einen Importzoll auf Güter nach, die hierzulande unter den Emissionshandel fallen. Der Zoll soll die Preisdifferenz ausgleichen, die Firmen in der Europäischen Union durch die zusätzlichen Kosten durch CO2– Verschmutzungsrechte entstehen – Protektionismus für den Klimaschutz. Die Denker von Bruegel warnen davor, andere Wirtschaftsexperten auch. Neue Handelskonflikte würden nicht nur der Weltwirtschaft, sondern auch dem Klima schaden.
    Dem Dilemma könne man am besten mit einem Emissionshandel entkommen, der
ermöglicht, dass Emissionen dort gesenkt werden, wo es tatsächlich am preiswertesten ist, also Hürden beiseite räumt, um verstärkt Projekte in Entwicklungsländern
einzubeziehen,
den Handel stufenweise auf weitere Länder ausdehnt und
verhindert, das einzelne Staaten ihn dadurch verzerren und aushöhlen, dass sie Emissionsrechte weiterhin an jene Industriezweige umsonst vergeben, die sie schützen wollen.
    Ist der Emissionshandel noch unvollkommen, ist er für die EU-Kommission dennoch eine Erfolgsgeschichte. Auch wenn letzte Daten zeigen, dass die Europäische Union im Vergleich zu 1990 erst 2 Prozent ihrer eigenen Emissionen senken konnte. Bis 2012, so wird projiziert, sollen es 7,4 Prozent sein. Das gesteckte Ziel von 8 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen bis 2012 wird damit, wenn auch knapp, verfehlt.
    Verantwortlich dafür ist neben der politischen Schwäche der EU-Regierungen auch die Reichweite des Emissionshandels. Er deckt schließlich nur etwa die Hälfte der Emissionen in der EU ab; der klimabelastende Verkehr wird nicht berücksichtigt. Den Handel auf andere Sektoren auszuweiten oder andere
Steuerungsinstrumente |151| zu nutzen, wird daher verstärkt debattiert. Selbst

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