Die Klimaprioritaeten
Transaction Log, das alle unter dem Kyoto-Protokoll verminderten Emissionen registriert und überprüft. Dieser entscheidende Knotenpunkt wird für die gesamte EU frühestens 2009 einsatzfähig sein.
Trotz solcher normalen Anlaufschwierigkeiten für einen neuen Markt ist Klimaschutz längst zu einem Portfolio in den Unternehmen geworden, meint Edwards. War das Thema Klima ursprünglich im Unternehmensbereich Umwelt angesiedelt, kümmern sich nunmehr die Finanzabteilungen darum. »Ein enorm wichtiger Schritt. Die Umwelt bepreisen, eine alte Forderung von Umweltökonomen, hat endlich stattgefunden.« Kosten werden nicht mehr externalisiert, wie die Volkswirte sagen, sondern internalisiert.
Doch genau dieser Quantensprung, dass sich nun die kalten Geldmenschen des Problems annehmen und Marktkräfte es richten sollen, bereitet vor allem Umweltaktivisten und Marktskeptikern weiterhin Unbehagen. Emissionshandel behält, auch wenn er nicht mehr so radikal bekämpft wird wie einst, einen störenden Beigeschmack: Reiche Industriestaaten und Unternehmen kaufen sich frei von schmerzhaften und teuren Veränderungen für den Umweltschutz.
Keine Frage, der Emissionshandel hat Defizite. Das räumen auch seine Befürworter ein. Manche sind so gravierend, dass sie das System, wenn nicht korrigiert, ad absurdum führen. Doch der Emissionshandel ist ein politisch initiierter und geformter Markt und seine Schwächen überwiegend dem halbherzigen Handeln von Politikern geschuldet. Einer der gravierendsten Mängel ist, dass Emissionsrechte immer noch kein ausreichend |147| knappes Gut sind – die Vorraussetzung für eine hohe Nachfrage und einen Preis mit Lenkungswirkung.
Bislang haben die meisten EU-Länder die gesamte Menge an Emissionsrechten umsonst an die betroffenen Firmen verteilt. Unternehmen aus der Energiewirtschaft preisten sie dann in die Stromrechnung ein und strichen dadurch zusätzliche Gewinne ein. Doch das größere Übel: Die EU-Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, überschütteten die Firmen anfangs geradezu mit Emissionsrechten, die, so gesegnet, sie wieder verkaufen konnten und keinen Anlass hatten, ihre eigenen
Produktionsabläufe
energieeffizienter zu gestalten. Ende 2007 fiel der Preis für Emissionsrechte daher auf ein paar Cent. Das ist wie beim Winterschlussverkauf nach einer kurzen und milden Saison. Zu guter Letzt werden die überschüssigen Jacken und Mäntel verramscht.
Diese Fehler wurden mittlerweile korrigiert. Die Europäische Kommission zwang ihre Mitgliedstaaten, für die Handelsperiode 2008 bis 2012 die Zahl der auszugebenden Emissionsrechte deutlich zu verringern. Die Menge der Emissionsrechte soll bis 2020 um 21 Prozent unter den Emissionen der vom Handel betroffenen Industriebetriebe von 2005 liegen – eine Verknappung, die Umweltverbänden allerdings immer noch nicht weit genug geht. Und ab 2013 sollen Emissionsrechte für die Energiebranche grundsätzlich versteigert werden. Die EU-Kommission hofft dadurch, den Emissionspreis von derzeit 23 Euro auf bis zu 57 Euro pro Tonne Kohlendioxid hochzutreiben – ein Preis, der manchen Studien zufolge Kohlekraftwerke
unwirtschaftlich
mache würde.
Die Emissionsrechte anfangs an die Unternehmen kostenlos auszugeben war – entgegen der Meinung vieler Kritiker – ein kluger strategischer Schachzug, meint Benito Müller, der schon im vorangehenden Kapitel zu Worte gekommene Energieexperte |148| von der Oxford University. So wurde die Industrie, die sich lange gegen den Emissionshandel gesträubt hat, gelockt und an Bord geholt. Nun, da sie dabei ist, kann die Schraube langsam angezogen und können die Verschmutzungsrechte auch verstärkt auktioniert werden. Doch viele EU-Regierungen seien hierbei nach wie vor zu ängstlich. Unternehmen könnten weitaus mehr tun, um ihre Emissionen zu verringern. Dafür müsste man ihnen allerdings weniger Emissionsrechte zuteilen.
Müller erinnert all jene, die stets monieren, der Emissionshandel reduziere überhaupt nicht den Ausstoß von Treibhausgasen, daran, dass dies nicht das Ziel dieses Mechanismus sei. »Reduzieren muss die Politik. Der Emissionshandel macht es dann für Unternehmen nur kostengünstiger und flexibler.«
Eine andere Vorstellung, die Industrievertreter und manche Wirtschaftsministerien gern verbreiten, lautet: Ein unilateraler EU-Emissionshandel mache den Standort Europa teurer. Verringerten die EU-Regierungen die Zahl der Emissionsrechte drastisch, klettere der Preis für
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