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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Computerhersteller Dell will zügig »das umweltfreundlichste IT-Unternehmen der Welt« werden und darum auch eigene Emissionen in Entwicklungsländern neutralisieren. Die Fluggesellschaft Virgin Atlantic bietet ihren Passagieren an, das während des Fluges verbrauchte Kohlendioxid auszugleichen durch Klimaschutzprojekte in Indonesien. Die Liste lässt sich mittlerweile beliebig fortsetzen. Immer mehr Unternehmen wollen freiwillig »klimaneutral« operieren und Treibhausgase, die sie selbst derzeit nicht vermindern können und müssen, woanders ausgleichen. Bald wird ein Konzern nicht mehr nicht-emissionsneutral arbeiten können.
    Dem begrüßenswerten Ansinnen vieler Unternehmen und der damit verbundenen steigenden Nachfrage nach
Emissionsgutschriften
steht jedoch ein noch sehr löchriges und dubioses Angebot gegenüber. Die Projekte von Firmen, die nun überall aus dem Boden schießen und versprechen, all die Klimasünder zu erlösen, sind oft undurchsichtig, schlecht kontrolliert, risikoreich und liefern zweifelhafte Emissionsgutschriften. Umweltverbände und die Presse überschütten sie mit beißender Kritik. Die Financial Times warf ihnen eine »Cowboy Mentalität« vor. Dem schlechten Ruf versucht eine wachsende Zahl von Anbietern von Klimaschutzprojekten nun
entgegenzutreten
, indem sie geloben, sich den CDM-Standards oder dem so genannten »Voluntary Carbon Standard« – initiiert von der Climate |164| Group, der International Emissions Trading Organization und dem World Economic Forum – zu unterwerfen und dies auch überprüfen lassen; und wer es ganz gut meint, will sich seine saubere Weste auch noch vom Gold Standard beglaubigen lassen – Zeichen eines natürlichen Reinigungsprozesses eines noch jungen Marktes, dessen Existenz wichtig ist neben dem von der UN regulierten Emissionshandel.
    Im freiwilligen Markt liegt ein großes Potenzial. Er kann dazu beitragen, klimaschonendes Wirtschaften zu verbreiten. Er ist, das liegt in der Natur der Sache, flexibler und schneller als ein regulierter Markt. Er erlaubt zum Beispiel Firmen in den USA, sich auf einen möglichen verpflichtenden Emissionshandel in der Zukunft vorzubereiten. Und er kurbelt Innovationen und Investitionen für nachhaltige Entwicklung an. Er ermöglicht ferner kleine Projekte etwa für
Dorfgemeinschaften
, die ansonsten an den hohen Genehmigungskosten für die UN-Akkreditierung scheitern würden. Zudem können so sinnvolle Vorhaben, die aber nicht über den UN-gesteuerten Markt initiiert werden dürfen, umgesetzt werden. Zum Beispiel lassen sich so marode Schulen und Verwaltungsgebäude in Kirgistan sanieren, Wände isolieren, moderne Heizungen und Fenster einbauen, somit eine Menge Energie sparen. Ein CDM-Projekt daraus zu schmieden wäre kompliziert, da es schwer zu überwachen ist, die Regierung in Bischkek es vielleicht ohnehin plante, nur gerade kein Geld hatte und die Häuser auch weiterhin mit Kohle heizen will. Ähnlich ist die Lage beim Aufforsten von Wäldern. Das Kyoto-Protokoll erlaubt zwar solche CDM-Projekte, doch sie stoßen immer noch auf methodische Barrieren (siehe das Kapitel »Waldschutz ist Klimaschutz«).
    Für Lionel Fretz macht alles Sinn, was wirksam Emissionen senkt. Ob CDM- oder freiwilliger Markt. »Es gibt keine goldene Lösung, um den Klimawandel aufzuhalten. Alles, was effektiv |165| hilft, müssen wir in Betracht ziehen«, erklärt er. Zweifelhafte Vorhaben werden über kurz oder lang nicht mehr bestehen können, dafür sei die öffentliche Kontrolle mittlerweile zu groß.
    Fretz ist Chef von Carbon Capital Markets, einer Firma mit 30 Mitarbeitern aus 20 Ländern, die im eleganten Stadtteil Mayfair in London residiert. Sie handelt mit Emissionen, investiert in Klimaschutzprojekte und verwaltet einen Umweltfonds im Wert von 201 Millionen Euro. Für die konservative Anzugsordnung der Londoner Finanzwelt ist Fretz auffällig informell gekleidet. In Hemd und Pullover wirkt er eher wie einer, der lieber Späne hobelt, als Bilanzen kalkuliert.
    Der ehemalige Banker ist überzeugt, dass der Emissionshandel, nachdem die Geburtswehen ausgestanden sind, eine Erfolgsgeschichte schreiben wird. Vorausgesetzt, das Geschäft sei glaubwürdig. »Wir müssen nach den höchst möglichen Qualitätsstandards arbeiten.« Deswegen legt er auch für Projekte, über die Kunden freiwillig ihre Treibhausgase verringern wollen, die Kriterien des Kyoto-Protokolls zugrunde. Er gehört auch zu denen, die öffentlich und vehement

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