Die Klinge des Löwen 01
offenstand.
„ Wenn bis Gengenbach alles
gutgeht, was ich hoffe“, fuhr Graf Max fort, „dann reitet
ohne Aufenthalt daran vorbei. Verlaßt schon vor dem Ort die
alte Heerstraße, die ja ab dort am Rande des Geroldsecker
Gebietes entlangführt. Haltet euch am besten dicht unter den
Vorbergen zur Linken. Es ist ratsam, jede Begegnung mit Menschen zu
meiden. Dazu könnt ihr bei Tag die Deckung des Waldes ausnützen,
wo immer es geboten erscheint. Euer Zwischenziel ist die Burg Husen,
der Sitz meines Bruders. Bei ihm werdet ihr übernachten.“
Dietrich nickte,
hielt jedoch mit seinen Bedenken nicht hinter dem Berg. „Das
bedeutet, nur wenn wir von Husen recht früh am nächsten
Morgen aufbrechen, wird es möglich sein, die Kastelburg noch am
selben Tag zu erreichen. Aber das ist doch ein zu anstrengender Ritt
für Eure Gemahlin und das Kind!“
Graf Max drehte sich
seinem Gesprächspartner zu und hob mit einer etwas hilflos
wirkenden Geste die Hände. „Ich weiß das selber,
Dietrich. Ich würde den Meinen ja gerne diese Strapazen
ersparen, wenn ich die Fehde mit dem Geroldsecker vermeiden könnte.
Dafür gibt es jedoch keine Anzeichen.“
„ Nein“, sagte
Dietrich finster, griff mit der Linken nach seinem Dolch und fingerte
unbewußt daran herum. „Graf Urban ist bekannt für
seine Sturheit.“
„ Übrigens braucht ihr
von der Husenburg nicht schon am nächsten Tag aufzubrechen. Die
Entscheidung darüber überlasse ich dir. Falls Ida und vor
allem mein kleiner Sohn etwas Erholung brauchen, kannst du zwei, drei
Tage zuwarten. Denn wie du selber bemerkt hast, steht euch dann der
anstrengendste Teil des Rittes bevor; die beiden sollen sich also gut
ausruhen auf Burg Husen!“
Dietrich zog die
Brauen zusammen und starrte sein Gegenüber einen Moment wortlos
an, ehe er sich äußerte. „Ja, das wird wohl
notwendig sein. Immerhin müssen wir uns durch unwegsame Wälder
ins Tal der Elz durchschlagen.“
Eine Weile schwiegen
nun beide. Das einzige Geräusch in der Stille des Saales kam von
den Fliegen, die beharrlich an den Fenstern auf und nieder summten.
So geschah es, daß die beiden in ihre Gedanken vertieften
Männer nicht hörten, wie die Tür zur Halle fast
geräuschlos geschlossen wurde.
„ Wie ist es eigentlich mit
der Bedeckung?“ fragte Dietrich nach einer Weile. Er hatte
seinen Dolch wieder losgelassen und die rechte Hand herausfordernd in
die Hüfte gestemmt, was zeigte, wie wichtig ihm die Beantwortung
dieses besonderen Gesichtspunktes war. „Wie viele Bewaffnete
sollen uns begleiten?“
„ Nur wenige. Ich stelle dir
zwei meiner Reisigen und meinen Neffen Roland zur Verfügung.
Mehr Leute kann ich angesichts des bevorstehenden Angriffs nicht
entbehren. Auch meine Gemahlin wird nicht mit großem Gefolge
reisen, lediglich ihre Kammerjungfer Bertha soll sie begleiten.“
Als Graf Max
Dietrichs fragende Miene sah, fügte er etwas ärgerlich
hinzu: „Es wäre unklug, bei der unsicheren Lage mit mehr
Personen unterwegs zu sein. Und wenn schon eine begrenzte Zahl, dann
gerade so viele Berittene, wie unbedingt nötig. Alles andere
würde nur die Aufmerksamkeit des Geroldseckers erregen. Seine
Späher lauern nämlich überall, und je kleiner euer
Reitertrupp ist, desto leichter könnt ihr euch neugierigen
Blicken entziehen, verstehst du?“
Dietrich nickte,
wobei sich jedoch seine Miene zusehends verdüsterte. Er legte
jetzt beide Hände auf den Rücken und sagte etwas abfällig:
„Aber warum soll Roland uns begleiten? Was soll ich denn mit
einem fünfzehnjährigen Jungen bei diesem nicht
ungefährlichen Ritt?“
Graf Max zwang sich
zu einem nachsichtigen Lächeln. „Sei nicht vorschnell mit
deinem Urteil! Der Bursche hat im Erlernen des Waffenhandwerks große
Fortschritte gemacht. Reiten kann er inzwischen wie kein anderer
seines Alters. Und mit dem Bogen trifft er den Stiel eines Apfels...“
Der Graf hielt kurz
inne, als er Dietrichs zweifelnde Miene sah, und setzte dann
schmunzelnd hinzu: „Na ja, auf jeden Fall trifft er den Apfel!“
„ Ja, aber...“
versuchte Dietrich einzuwenden.
Der Burgherr schnitt
ihm mit einer brüsken Handbewegung das Wort ab. „Kein
'Aber'! Die Teilnahme Rolands an dieser Reise ist von mir
beschlossen, und sie hat einen triftigen Grund.“
Dietrich sah Graf
Max schweigend an. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. 'Was,
zum Teufel, ist an diesem Bengel so wichtig?' dachte er. Aber er
verkniff sich eine entsprechende Bemerkung, denn schließlich
war
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