Die Klinge des Löwen 01
dem Geroldsecker Zwingherrn schon rechtzeitig in den Arm fallen.“
Graf Max schwieg
einen Augenblick, um sich zu beruhigen, und setzte dann erbittert
hinzu: „Nein, damit ist nicht zu rechnen. Wir sind auf uns
allein gestellt.“
Die letzten Worte
weckten in Dietrich ein Gefühl der Hilfsbereitschaft.
Gleichzeitig bedauerte er seine widerspenstigen Gedanken auf dem Ritt
hierher. Spontan streckte er seinem Lehnsherrn die Rechte entgegen.
„Ihr werdet mich jederzeit, wenn es not tut, an Eurer Seite
sehen. Wir werden die Ortenburg mit unserem Blut verteidigen!“
Keiner der beiden
ahnte, daß dieses Versprechen eines Tages vom Schicksal in
einem ganz anderen Zusammenhang eingefordert werden würde...
Vielmehr ergriff Graf Max, bewegt von der bekundeten Treue seines
Vasallen, erfreut die dargebotene Hand. „Ich danke dir, Freund
Dietrich. Ich weiß deinen Schwertarm wohl zu schätzen.
Aber gerade deshalb habe ich andere Pläne mit dir.“
Das Lächeln auf
seinem Gesicht war plötzlich wie weggewischt und machte einem
fast grausamen Zug Platz. „Wenn es zum Kampf kommt, dann geht
es hier um Leben und Tod. Und sollte ich fallen, dann möchte ich
in dem Bewußtsein sterben, daß mein Sohn Bernhard und
meine Gemahlin Ida in Sicherheit sind.“
"Warum so
düstere Gedanken?“ fragte Dietrich betroffen. „Was
fürchtet Ihr?“
Der Burgherr erhob
sich von seinem Fenstersitz und trat wieder in die Halle. Er legte
dem jungen Ritter beide Hände auf die Schultern und sah ihm
ernst in die Augen. „Für mich selbst fürchte ich
nichts. Aber das Kriegsglück ist ein wankelmütig Ding.
Sollte meine Burg in die Hände des Feindes fallen...nun, ich
brauche dir nicht auszumalen, wozu vom Kampf erhitzte Kriegsleute
fähig sind! Du, Freund Dietrich, sollst deshalb mein Weib und
meinen kleinen Sohn Bernhard rechtzeitig in Sicherheit bringen. Du
wirst mit ihnen zur Kastelburg reiten.“
Dietrich sah seinen Lehnsherrn überrascht an. „Zur Burg Eures
Schwagers im Elztal? Ist das nicht zu anstrengend für Eure
Gemahlin und den kaum dreijährigen Knaben? Bedenkt, wir müssen
auf einem Großteil des Weges den unwirtlichen Schwarzwald
durchqueren!“
„ Das weiß ich wohl“,
sagte Graf Max nachdenklich. Er ließ Dietrich los und schritt
langsam auf das Kaminfeuer in der gegenüberliegenden Ecke des
Saales zu. Schweigend starrte er mit nach vorne geneigten Schultern
in die züngelnden Flammen, als lausche er dem Knacken der
Holzscheite. Dietrich blieb abwartend stehen, wo er war, und musterte
den Grafen verwundert.
„ Aber vergiß nicht“,
sagte dieser schließlich, wobei er sich schwerfällig
umwandte, „sollte man euch verfolgen, stellen sich solchen
Leuten dieselben Hindernisse in den Weg, wie ihr sie zu überwinden
habt.“
„ Ihr rechnet also mit
Schwierigkeiten?“
„ Alles ist möglich“,
entgegnete Graf Max unwirsch. „Vermutlich läßt Urban
meine Burg schon seit Tagen beobachten. Euer Vorteil wird der
Vorsprung sein, den ihr vor eventuellen Verfolgern haben werdet. Denn
niemand außer den Beteiligten soll von diesem Vorhaben etwas
erfahren.“
Nachdenklich nickte
Dietrich. „Das leuchtet mir ein. Aber wir werden die Reise
nicht an einem Tag schaffen, das ist unmöglich. Wollt Ihr Eure
Gemahlin und Euren Sohn den nächtlichen Gefahren aussetzen, die
in dieser Wildnis lauern mögen?“
Der Graf schüttelte
den Kopf. Er wandte sich erneut dem Feuer zu und hielt seine Hände
davor, als müßte er sie wärmen. Auch Dietrich fiel
jetzt auf, daß es alles andere als gemütlich in der Halle
war, denn die Wärme des Feuers in der entfernten Ecke reichte
nicht weit. 'Welch ein Gegensatz', dachte er, 'draußen brütet
die Sonne, und hier drinnen herrscht noch Winter!'
Er kam nicht dazu,
seinen Gedankengang fortzusetzen. Während der Graf weiterhin dem
Feuer zugewandt blieb, erklärte er: „Ich habe mir alles
genau überlegt. Ihr werdet morgen früh sehr zeitig
aufbrechen. So lange ihr im Schutze der Dunkelheit unterwegs seid,
könnt ihr bis Gengenbach die Römerstraße benutzen. Da
kommt ihr rasch voran. Falls euch auf diesem ersten Wegabschnitt
schon Gefahr drohen sollte, findet ihr im Benediktinerkloster zu
Gengenbach Unterschlupf. Der Abt und der Klostervogt stehen auf
meiner Seite. Ihnen gefallen die Machenschaften des Geroldseckers so
wenig wie mir.“
Der Burgherr
verstummte für einen Augenblick. Weder er noch Dietrich
bemerkten, daß die Tür zur Halle schon seit geraumer Zeit
eine Handbreit
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