Die Klinge des Löwen 01
auf, eine Südländerin vor sich zu haben. Das
blauschwarze Haar, das sich im Nacken locker kräuselte,
verstärkte noch diese überraschende Wahrnehmung. Doch
Dietrich wußte, daß kein südländisches Blut in
ihren Adern floß. Sie war ein Kind des Schwarzwaldes, und das
Feuer solcher Temperamente fand sich öfters bei den Bewohnern
der dunklen Waldberge.
Den Kopf der Gräfin
bedeckte eine zierliche grünseidene
Haube, an die ein durchsichtiger weißer Schleier
angesteckt war, der luftig nach hinten fiel. Sie trug ein bodenlanges
blaßgrünes Oberkleid, das sich bis zur Taille eng an den
Körper schmiegte, jedoch ab der Hüfte in reichem Faltenwurf
bis zu den Füßen fiel und in einer kurzen Schleppe
auslief. Sie hatte tütenförmige Ärmel angesteckt,
deren Öffnungen bis zu den Knien reichte und in denen man
wahrlich auf jeder Seite ein Kind hätte verstecken können.
Aber die herrschende Mode verlangte nun einmal solch monströse
Gebilde, und Ida hielt sich wie alle vornehmen Frauen daran. Gegürtet
war sie mit einem breiten, goldfarbenen orientalischen Band, in das
kräftige Farbmuster eingearbeitet waren und dessen Ende in eine
fast bis zu den Füßen hängende Kordel auslief, die
mit Silberringen verziert war. Ü ber
dem Gewand trug sie ein weinrotes Überkleid. Es war etwas kürzer
als das Oberkleid und wurde von einer goldverbrämten Schnur über
der Brust zusammengehalten.
[ Die Ärmel
waren oft abnehmbar. - Überkleid = Umhang. ]
Der
Graf umfing seine Gemahlin übertrieben zärtlich mit dem
rechten Arm und wollte sie zu seinem Sessel führen. Sie aber
blieb stehen und warf Dietrich lächelnd einen durchdringenden
Blick aus ihren dunklen Augen zu, der ihn auf eine seltsame Weise
verwirrte. Da er noch nicht wußte, welcher Laune sie heute war,
beschloß er, in ihrer Gegenwart mit seinen Bemerkungen
vorsichtig zu sein.
„ Ihr
habt Euch rar gemacht, Herr Dietrich“, begrüßte sie
ihn, indes sie sich etwas brüsk, wie es ihm vorkam, von ihrem
Gemahl losmachte. „Selten, daß man von Euch hört,
und noch seltener ist es, Euch zu Gesicht zu bekommen! Was treibt Ihr
eigentlich das Jahr über?“
Da
war er wieder, dieser spitze Unterton! Dietrich fand nicht sofort
eine passende Antwort und ärgerte sich innerlich maßlos
darüber. Damit man ihm das nicht anmerkte, verneigte er sich vor
der Gräfin, grimmig entschlossen, ihren burschikosen Umgangston
zu ignorieren, um nicht in die Falle ihrer Raffinesse zu geraten. Mit
einem Willensimpuls bezwang er seine Befangenheit.
„ Was
soll ich Euch sagen, edle Herrin?“ antwortete er und gab sich
schuldbewußt. „Ich hätte Euch ja wirklich schon
manches Mal besuchen können. Aber wenn ich zur Burg komme, dann
handelt es sich meistens um Dinge, die ich mit Eurem Gemahl zu
besprechen habe. Und er scheint Euch in Eurer Kemenate zu verstecken,
denn bei solchen Gelegenheiten seid Ihr ja noch nie erschienen, nicht
wahr?“
Irgendwie
war er erleichtert, weil es ihm seiner Meinung nach gelungen war,
sich mit dieser Erklärung gut verteidigt zu haben. Schließlich
war er nicht sehr geübt, was die höfischen Gepflogenheiten
anging. Aber einmal in Fahrt gekommen, beschloß er, noch eins
draufzusetzen. Er verneigte sich erneut vor der jungen Gräfin,
die ihn amüsiert betrachtete, und fügte hinzu: „Ich
hoffe, das spricht mich in Euren Augen frei von jeglicher Schuld?“
„ So
etwas habe ich gern!“ polterte jetzt Graf Max mit gespieltem
Unmut und sich an seine Gemahlin wendend. „Ihr wollt wohl mich
zum Sündenbock stempeln? Dann heißt es am Ende noch, ich
würde dich in deinem Gemach gefangen halten!“
„ Aber
wie kannst du nur so etwas denken!“ sagte Gräfin Ida mit
einschmeichelndem Ton in der Stimme und schmiegte sich eng an ihn,
wobei sie jedoch den jungen Ritter nicht aus den Augen ließ.
„Im übrigen ist Dietrich doch selber schuld, wenn er vor
lauter Geschäftigkeit keine Zeit für das höfische
Leben findet!“
Abermals
traf ihn ein Blick ihrer dunklen Augen, der ihn nötigte, zu
antworten. „Ich werde versuchen, mich zu bessern, Gräfin!“
„ Versuchen?“
entgegnete sie gedehnt. „Das klingt ja gerade so, als ob Ihr
nicht sicher wärt, daß es Euch gelingt.“
Wieder
sah sich Dietrich von ihr in die Enge getrieben. Er fühlte, wie
er ins Schwitzen geriet, was er in diesem Augenblick besonders haßte.
Wollte sie ihn um jeden Preis verlegen machen? In den vier Jahren,
die sie nun auf der Ortenburg lebte, hatte er sie nur bei
vereinzelten
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