Die Klinge des Löwen 01
Roland von Husen ein Sohn des Bruders von Graf Max.
Der Graf bemerkte
das Widerstreben seines Ritters. „Komm, Dietrich, sei nicht
ärgerlich! Der eigentliche Grund, warum Roland mit euch reisen
soll, ist meine Absicht, ihn als Knappe in deine Obhut zu geben!“
Dietrich sah seinen
Lehnsherrn groß an, und auf seinem Gesicht erschien ein
Ausdruck des Unwillens. „Aber Graf! Ihr wißt doch, daß
meine bescheidenen Einkünfte es mir nicht erlauben, auch noch
einen Knappen zu unterhalten!“
Der Burgherr
lächelte und wärmte sich erneut die Hände am
Kaminfeuer. „Das brauchst du auch nicht", entgegnete er
etwas spöttisch über die Schulter. "Die Kosten
übernehme ich. Der Junge ist jetzt in einem Alter, wo er lernen
muß, daß das behütete Burgleben nur ein kleiner
Ausschnitt der Wirklichkeit ist. Deine Aufgabe wird es sein, dem
Burschen auch die mitunter rauhen Pflichten eines Ritters
beizubringen. Er muß jetzt geschult werden, wirklichen Gefahren
ins Auge zu sehen und diese nach Möglichkeit auch selbst zu
meistern. Du bist für mich der geeignetste Lehrmeister, um ihn
auf die Schwertleite vorzubereiten.“
„ Na, wenn das so ist, dann sage ich
nicht nein!“, rief Dietrich erleichtert, wobei die Freude über
die gute Botschaft sein zuvor mürrisches Gesicht schlagartig
entspannte. "Ein Knappe, der mich nichts kostet, ist mir immer
willkommen!“
„ Nun ja“, entgegnete
der Graf etwas ironisch. „Du hättest dein Einkommen längst
erhöhen können. Ich bot dir schon des öfteren an, dein
Lehen um die südlichen Waldflächen zu vergrößern.“
„ Ich weiß, und unter
anderen Umständen würde ich nicht zögern, das Angebot
anzunehmen. Aber zur Rodung und um das Land urbar zu machen, fehlt es
mir an Leuten und vor allem am nötigen Geld, um sie zu bezahlen.
Oder wollt Ihr, daß ich Haus und Hof eine Weile sich selbst
überlasse, um als fahrender Ritter Preise und Tribute bei
Turnieren zu gewinnen? Ein geschickter Kämpfer kann dabei
schnell reich werden!“
„ Oder zum Krüppel,
wenn nicht Schlimmeres!“ Ohne sich vom Feuer abzuwenden, rief
der Graf: „Gott bewahre, Dietrich! Davon halte ich nicht viel.
Nein, nein, ich brauche einen Mann wie dich in meiner Nähe,
außerdem zeichnet sich eine Lösung ab, die dich sicherlich
schon bald zufriedenstellen wird.“
Mit fragendem
Gesichtsausdruck und offenem Mund starrte Dietrich seinen Lehnsherrn
an. Er kniff die Augen zusammen, über seiner Nasenwurzel
erschien eine steile Falte, und seine ganze Haltung drückte
gespannte Erwartung aus. Er fing an, sich die Nase zu reiben, zwang
sich aber, zu schweigen. Um seine Neugierde zu bezähmen,
betrachtete er die an dem Deckenbalken mit Ketten befestigten Räder
der geschwärzten eisernen Kronleuchter und begann deren Kerzen
zu zählen.
Endlich fuhr Graf
Max mit ernster Miene fort: „Ich sage dir heute nur soviel -
wenn wir die kommende Auseinandersetzung mit dem Geroldsecker
siegreich bestehen, dann wirst du von mir ein besseres Lehen bekommen
- und eine feste Burg dazu!“
„ Bei allen Heiligen, was
stellt Ihr mir da in Aussicht?“ rief Dietrich, nun abermals
überrascht. Ein solch weitreichendes Angebot hatte er nicht
einmal im Traum erwartet, und jetzt konnte er seine Wissbegier nicht
länger bezähmen. „Wollt Ihr mir noch verraten, wo
dieses Lehen liegt?“
So schnell gab der
Graf allerdings sein Geheimnis nicht preis. Entweder seine Hände
waren ihm noch nicht warm genug, oder er wollte den Fragenden ein
wenig auf die Folter spannen. Das dachte jedenfalls Dietrich, dem
bereits wieder leiser Ärger in die Kehle stieg. Aber ehe er sich
in neuem Unmut äußern konnte, verließ der Graf
seinen Platz am Kamin und kam zurück zur Fensterseite.
Er blieb vor seinem
jungen Vasallen stehen und sah ihn mit geheimnisvoller Miene
schweigend an, ehe er endlich antwortete. „Es handelt sich um
die Thiersburg. Für mich ist das ein strategisch wichtiger
Platz, und für dich wäre es ein angemessener Herrensitz!“
Er verstummte für
einen Moment und warf seinem Gegenüber abermals einen
forschenden Blick zu, als wollte er die Wirkung seiner Worte
ergründen.
Dietrich versuchte
jetzt, doch noch mehr zu erfahren. „Ist die Burg denn
verwaist?“
„ Noch nicht, aber bald“,
entgegnete der Graf knapp. „Du wirst es erfahren, wenn es
soweit ist. Aber nun heißt es erst einmal, die vor uns
liegenden Schwierigkeiten zu bewältigen. Setzen wir uns doch, um
in Ruhe zu besprechen, was jetzt wirklich not
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