Die Klinge des Löwen 01
Gelegenheiten gesehen und meistens kaum mehr als ein
paar höfliche Worte mit ihr gewechselt. Seine ungünstige
Meinung von ihr war in der Vergangenheit durch das Verhalten ihres
Mannes ihm gegenüber entstanden, einem Verhalten, das er als von
ihr beeinflußt ansah. Diese Unterhaltung heute verwirrte ihn,
seine Antworten erschienen ihm auf einmal tölpelhaft, und am
liebsten hätte er die Halle verlassen, so peinlich war ihm
plötzlich sein Auftreten. Aber ehe er der Burgherrin eine
passende Antwort zu geben vermochte, lenkte Graf Max das Gespräch
in andere Bahnen, indem er das Thema anschnitt, weswegen er Ida
gerufen hatte.
„ Meine Liebe“, begann
er, und um den seinerseits aufkommenden Unmut über den Verlauf
der Unterhaltung zu verbergen, fuhr er in einem väterlichen Ton
fort: „Vielleicht war es gut, daß unser Freund dir in der
Vergangenheit so wenig Unterhaltung geboten hat. Dieser wortkarge
Ritter wird nämlich für die Zeit der Reise zur Kastelburg,
die wir ja schon besprochen haben, dein Beschützer sein. Da bist
du vielleicht froh, all den offenbar brachliegenden Gesprächsstoff
noch zur Verfügung zu haben.“
Die Gräfin
entgegnete darauf nichts, sondern sah Dietrich mit ihren dunklen
Augen unverwandt an. Der junge Ritter hatte das Gefühl, daß
sie selbst durch ihr Schweigen ihren Spott mit ihm trieb. Er
versuchte, seinem Gesicht einen überlegenen Ausdruck zu
verleihen und zwang sich zu einem Lächeln, und indem er ihr
gleichzeitig in die Augen sah, mit dem festen Entschluß, nicht
als erster wegzuschauen, sagte er: „Ich bin Euer Diener,
Herrin, und Euer Schild! Nichts soll Eure Wege gefährden, so
lange ein Herz in meiner Brust schlägt und ich ein Schwert zu
führen vermag.“
Gräfin Ida
neigte den Kopf und sah zur Seite. Gleich darauf musterte sie
Dietrich, der mit seinen Worten Ergebenheit geheuchelt hatte, mit
einem abschätzenden Blick, als wollte sie prüfen, ob es ihm
ernst damit sei. Aber dann veränderte sich plötzlich ihr
Gesicht. Sie trat einen Schritt von ihrem Gemahl weg und rief mit
einer Miene voller Abscheu: „Ist es nicht schrecklich, daß
manche Menschen andere nicht in Frieden lassen können?“
„ Ihr meint den
Geroldsecker?“ fragte Dietrich, zwar geistesgegenwärtig,
aber ob des plötzlichen Themenwechsels doch ein wenig
überrascht.
Die Gräfin
nickte wortlos, worauf Graf
Max sich bemüßigt fühlte, sich wiederum einzumischen.
Um die Wichtigkeit seiner Meinung zu betonen, schlug er diesmal einen
belehrenden Ton an: „Solche unfriedlichen Zustände können
nur entstehen, weil die Herrschaft im Reich nicht durch einen starken
Arm gesichert ist. Der Hader zwischen Staufern und Welfen will nicht
enden und schwächt die Königsmacht. So geht es ja schon,
seit die Welfen einst jenen einäugigen Friedrich von Schwaben um
die Königskrone betrogen. Das ist nun bald achtzig Jahre her,
aber aus diesem Zwist ist viel Unheil hervorgegangen. Recht und
Gesetz fallen immer wieder dem Fluch der Intrigen dieser beiden
Geschlechter zum Opfer. Auch jetzt ist es wieder so - und
machthungrige Männer wie Graf Urban von Geroldseck versuchen,
solche unsicheren Zeiten für ihre persönlichen Zwecke zu
nutzen.“
[ Friedrich II von
Schwaben verlor bei einem Feldzug ein Auge. ]
Eine Weile herrschte
Schweigen, nur gestört durch das hartnäckige Gesumm der
Fliegen an den Fenstern. Die junge Gräfin wandte sich erneut an
Dietrich. Und diesmal redete sie sachlich: „Wann werden wir
aufbrechen?“
„ Morgen in aller Frühe,
so lange es noch dunkel ist“, sagte der junge Recke schnell,
heilfroh, daß das Geplänkel nicht schon wieder anfing.
Ida streifte ihren
Gemahl mit einem fast vorwurfsvollen Blick und seufzte: "Was für
unruhige Tage auf uns warten!"
"Es geht nicht
anders, Liebes", entgegnete Graf Max hastig, als wollte er
verhindern, daß die möglichen Gefahren der bevorstehenden
Reise zur Sprache kämen. "Alles wird gut werden, verlaß
dich darauf!"
"Wenn du
meinst...", antwortete sie zweifelnd. "Dann werde ich mich
jetzt zurückziehen, um unseren Sohn und mich auf diese unsichere
Fahrt vorzubereiten."
Beflissen und nervös
nickte der Burgherr seiner jungen Frau zu. "Tue das, meine
Liebe. Und sei unbesorgt, Dietrich wird euch sicher ans Ziel
bringen."
Über das
Gesicht der jungen Gräfin huschte ein frivoles Lächeln,
während sie Dietrich mit einem übermütigen Blitzen in
den Augen ansah. "Wir sehen uns also heute nacht, Herr Ritter!"
Sie neigte leicht
ihr Haupt zum
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