Die Klinge des Löwen 01
geführten
Schwertstreich Dietrichs zwar die Kraft genommen war, dessen Klinge
aber dennoch ihren Weg zum Gegner fand. Der blinkende Stahl
durchschlug Egenos Kettengeflecht in Höhe der Außenseite
des linken Oberschenkels und brachte ihm eine klaffende Wunde bei.
Der
Geroldsecker schrie vor Schmerz, gleichzeitig bäumte sich sein
Roß auf. Er verlor das Gleichgewicht, stürzte aus dem
Sattel und landete krachend auf den Brettern der Fähre. Dabei
verlor er seinen Helm, der scheppernd über die Holzbohlen
hüpfte. Sein Roß stieg, außer sich vor Angst und
Schreck, erneut hoch, und nur dem schnellen Zugriff Dietrichs nach
dessen Zaumzeug verdankte es Egeno, daß er nicht unter die Hufe
seines eigenen Pferdes geriet. Dietrich zwang das Tier zu einer
Kehrtwendung, denn inzwischen versuchten weitere der ihrem Herrn zu
Hilfe eilenden Geroldsecker Kriegsknechte die Fähre zu entern.
Angesichts dessen hieb Dietrich Egenos Schlachtroß die
Flachseite seiner Klinge auf die Hinterhand und jagte es, den
feindlichen Reisigen entgegen, an Land. Die beiden anderen, nunmehr
ledigen Tiere folgten. Der vierte Bewaffnete war samt Roß von
den Fährleuten schon vorher ins Wasser befördert worden.
Die
an Land drängenden Rosse zwangen die angreifenden Geroldsecker
Krieger, zurückzuweichen und die Tiere vorbeizulassen. Diese
Zeit genügte Dietrich, sich vor dem hilflos auf der
Fährenplattform liegenden Egeno aufzubauen. Das fahle, etwas
grobgeschnittene Gesicht seines Feindes wurde von einer
grauschimmernden Kettenhaube umrahmt und war von Schweißperlen
bedeckt. Seine braunen Augen starrten entsetzt auf den über ihm
stehenden Gegner, sein Mund war schmerzverzerrt, und von seinen
blutleeren Lippen kam ein grausiges Stöhnen.
Als
Egenos Männer erneut Anstalten machten, die Fähre zu
stürmen, setzte Dietrich ihm das Schwert an die Kehle.
„ Halt!“
donnerte er ihnen entgegen. „Bleibt, wo ihr seid, oder euer
Herr ist ein toter Mann!“
Erleichtert
sah er, daß die Bewaffneten wie angewurzelt stehen blieben. Er
ließ sie nicht aus den Augen und sagte mit scharfer Stimme:
„Egeno, befehlt Euren Reisigen, sich hundert Schritt
zurückzuziehen. Zwei Mann können bleiben, um Euch
anschließend an Land zu helfen.“
Ächzend
wälzte sich der Geroldsecker auf die Seite und gab seinen
Kriegsknechten einen entsprechenden Befehl. Als die Horde sich
schließlich genügend weit entfernt hatte, trat Dietrich
zurück. Zwei von Egenos Kriegern, die dageblieben waren,
sprangen auf die Plattform, halfen ihrem Herrn auf die Beine und
schleppten ihn von Bord.
Unmittelbar
danach lösten Oswald und seine Gehilfen unbehelligt die Fähre
von ihrem Anlegeplatz, um sie vor der Rückfahrt weit genug
stromauf zu treideln. Auch Dietrich packte mit an, und da für
ihn diese Arbeit ungewohnt war, merkte er bald, daß es recht
schweißtreibend war, die schwere Plattform ohne die Hilfe von
Zugtieren gegen die Flußrichtung zu schleppen. Aber schließlich
erreichten sie die nicht weit entfernte Ablegestelle und steuerten
dann von dort die gegenüberliegende Uferseite an.
Die
beiden Frauen und Giselbert, die natürlich die
Auseinandersetzung mit den Geroldseckern beobachtet hatten,
erwarteten sie mehr oder weniger aufgeregt. Am ruhigsten von allen
waren Giselbert und der kleine Bernhard, wobei letzterer von der
Dramatik des Geschehens kaum etwas mitbekommen hatte und
selbstvergessen eine Sandburg baute. Giselbert seinerseits hatte der
Waffengang, bei dem er zwangsläufig genau wie die anderen nur
entfernter Augenzeuge sein konnte, nicht erschüttert, zumal er
sah, daß Dietrich mit der feindlichen Übermacht auf
geschickte Weise fertig wurde. Weniger gleichmütig zeigte sich
die Miene der sonst meist desinteressiert wirkenden Bertha. Offenbar
war sie von der Art, wie Dietrich sich aus der Affäre zog,
immerhin beeindruckt. Eine stärkere Erregung durfte man von ihr
nicht erwarten.
Im
Gegensatz dazu sprach aus Idas Verhalten die größte
Anteilnahme. Das zeigte sich sogleich, als Dietrich an Land sprang
und sie ihn sichtlich aufgeregt empfing. „Ihr habt fürwahr
Euer Leben eingesetzt“, rief sie. „Was wäre aus uns
geworden, wenn Ihr in Gefangenschaft geraten oder...“
Bevor
er antwortete, nahm er seinen Helm ab und reichte ihn samt dem Schild
Giselbert und bedeutete ihm, beides an den Sattel des Rappen zu
hängen.
"...oder
wenn ich gefallen wäre", vervollständigte er Idas Teil
ihrer Frage, den sie ungesagt ließ. "Nun, es hat
vielleicht
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