Die Klinge des Löwen 01
sich blaßblau ein wolkenloser Himmel spannte.
Dietrich hatte seine Schar inzwischen unmittelbar ans Ufer
herangeführt. Sie folgten den drei Fährleuten, die ihr
Fahrzeug weit genug stromaufwärts ziehen mußten, um bei
der Überfahrt die durch den Fluß erzeugte Abdrift
auszugleichen und auf der anderen Uferseite an der richtigen Stelle
anzulanden. Schließlich waren alle an dem Platz angelangt, von
dem aus die abenteuerliche Fahrt beginnen sollte. Die Pferde wurden
von Giselbert und Roland zusammengetrieben. Sie sollten zum Schluß
übergesetzt werden.
Auf
der anderen Seite war der Vorgang nicht unbemerkt geblieben. Der
Wachhabende hatte seine Gefährten längst geweckt, und nun
standen vier von ihnen abwartend am Landungsplatz der Fähre. Der
Fünfte hatte sich aufs Roß geschwungen und war eilig
flußabwärts davongaloppiert.
Die
Zurückgebliebenen harrten indessen in herausfordernd lässiger
Haltung, aber voll gewappnet, der Dinge, die sich ereignen würden.
Es sah fast so aus, als fühlten sie sich wie unbeteiligte
Zuschauer. Dietrich warf einen abschätzenden Blick hinüber.
„ Es
kommt mir vor, als wüßten die Kerle, daß ihre
Hauptstreitmacht nicht weit entfernt ist“, sagte er grimmig.
Er
sah sich nach dem Knappen um, der die Pferde zusammenhielt. „Roland,
du kommst mit mir auf die Fähre. Bring dein Roß her, und
vergiß deinen Bogen nicht! Wir werden versuchen, die Kerle so
weit zurückzudrängen, daß du zur Burg durchbrechen
kannst.“
Oswald,
der Fährmann, rief ihm zu: „Wir sind bereit, Herr, bereit
auch zum Kampf! Mit den Ruderstangen treiben wir das Gesindel schon
weg von der Landestelle, Ihr werdet sehen!“
Dietrich
befahl Giselbert, zum Schutz der Frauen und des Kindes an Ort und
Stelle auszuharren. Rasch wurden den Pferden die Vorderbeine
gefesselt und das Roß des Knappen auf die Fähre geführt.
In der Zwischenzeit hatte Dietrich sich den Helm übergestülpt,
und den Schild vom Saumroß genommen. Er sprang als letzter auf
die aus mächtigen Baumstämmen und darauf genagelten breiten
Brettern bestehende Plattform und gab das Zeichen zum Ablegen.
Unterhalb
am anderen Ufer machten sich indes die Feinde mit Schild und
gezücktem Schwert bereit, dem fremden Ritter und seinen
Begleitern einen heißen Empfang zu bereiten, sobald sie ihren
Fuß aufs Land setzten. Die Fährleute stemmten ihre
Holzstangen in den Grund des Flusses, der brausend und schäumend
ihr Fahrzeug umfloß. Schritt für Schritt trieben sie die
Fähre voran. Der Mann am Ruder hatte alle Hände voll zu
tun, um das schwankende Gefährt auf Kurs zu halten, und mehr als
einmal sah es aus, als würde es der reißende Fluß
davontragen.
Roland
war damit beschäftigt, sein Roß ruhig zu halten, das
nervös auf den Holzplanken hin und her stampfte. Dietrich, der
die Bewaffneten am Ufer beobachtet hatte, trat zu dem Knappen und
nahm ihm die Zügel des Wallachs aus der Hand. Mit einer
Kopfbewegung zu den feindlichen Kriegsknechten hin rief er laut, um
das Rauschen des Flusses zu übertönen: „Nimm deinen
Bogen und verpasse ihnen einen Warnschuß! Wenn sie sich nicht
zurückziehen, schieße gezielt! Sie können mit ihren
Rundschilden nicht den ganzen Körper decken.“
Indessen
hatte die Fähre die Flußmitte überquert und näherte
sich in schräger Richtung dem Anlegeplatz. Rolands Pfeil
schwirrte übers Wasser und blieb zitternd vor den Geroldsecker
Kriegsleuten im Boden stecken. Sie wichen jedoch keinen Schritt
zurück, sondern beantworteten die Aktion mit höhnischem
Gelächter. Herausfordernd trat die ganze Reihe einen Schritt
näher ans Ufer und fuchtelte drohend mit den Waffen.
„ Sie
wollen es nicht anders“, rief Dietrich. „Ziele auf die
Beine!“
Roland
nickte, während er einen neuen Pfeil auf die Bogensehne legte.
Der Lärm der Künzig verhinderte, daß die Krieger am
Ufer den Befehl hörten. Sie deckten Kopf und Oberkörper mit
ihren Schilden, und ihre kampfbereit erhobenen Waffen spiegelten sich
unheilverkündend in der Sonne.
Roland
handelte schnell. Noch ehe die Zeit vergangen war, die ein Mensch für
ein halbes Dutzend Atemzüge braucht, wälzten sich zwei der
Feinde mit Pfeilen im Oberschenkel am Boden. Eilig wurden sie von
ihren unverletzt gebliebenen Gefährten aus dem Schußbereich
geschleppt.
Die
Gehilfen des Fährmanns bremsten mit ihren Stangen im richtigen
Augenblick die Fahrt der Fähre, während ihr Meister sie mit
einer geschickten Ruderwendung auf die Anlegestelle zudrehte.
Knirschend
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