Die Klinge des Löwen 01
schlimmer ausgesehen, als es war", spielte er seine
entscheidende Rolle bei dem bedrohlichen Ereignis herunter.
"Das
stimmt doch nicht", widersprach sie ihm mit ungewohntem Eifer.
"Ihr wart allein gegen so viele! Und trotzdem konntet ihr sie
zwingen, zu weichen! Es gibt nur wenige, die so etwas fertigbringen,
dessen bin ich mir gewiß!"
"Na
ja", sagte er etwas verlegen angesichts Idas Begeisterung. Er
deutete auf die Fährleute. "Ohne diese Mannen wäre ich
wohl kaum Herr über Egeno und seine Waffenknechte geworden."
"Stellt
Euer Licht doch nicht unter den Scheffel!" rief sie
vorwurfsvoll. "Ihr habt gehandelt wie ein Held."
Es
gefiel ihm zwar ganz gut, daß Ida seine Tat und damit ihn
bewunderte, zeigte es doch, daß er ihr offenbar nicht
gleichgültig war! Aber ihre Lobpreisung war ihm trotzdem etwas
peinlich, denn derart in den Mittelpunkt gestellt zu werden, das war
ungewohnt für ihn, und so wußte er nicht gleich, was er
antworten sollte. Das tat dann an seiner Stelle die nüchterne
Bertha: "Helden werden meistens nicht alt!"
Jetzt
malte sich aber echte Empörung auf Idas Antlitz. Sie kam jedoch
nicht mehr dazu, ihr Ausdruck zu verleihen, denn in diesem Augenblick
trat der Fährmann Oswald zu ihnen und sorgte für Ablenkung.
„Seht, Herr, sie ziehen ab!“
Aller
Augen wandten sich der anderen Uferseite zu, und sie sahen, wie
Egenos Abteilung geschlossen den Platz verließ. Wenig später
lag das Gebiet um die Anlegestelle einsam und verlassen in der
Morgensonne.
Aber
schon erschien jetzt aus der Richtung der Burg eine Reiterschar.
Dietrich erkannte seinen Knappen, der den anderen, wohl ein gutes
Dutzend an der Zahl, vorausritt. Neben seinem Roß her lief mit
stolz erhobener Rute Rolands schwarzer Wolfshund. Dahinter führten
ein Hauptmann mit schimmerndem Helm und Brünne und ein
Bannerträger den Zug an. Schilde leuchteten in bunten Farben und
Eisen blitzte in der Sonne. Das Stampfen und Wiehern der Rosse tönte
über den rauschenden Fluß.
Hart
am Ufer zügelten sie ihre Pferde. Einige der Reisigen verteilten
sich, wohl um das umliegende Gelände gegen einen
Überraschungsangriff zu sichern. Dietrich sah, wie Roland sich
in den Steigbügeln aufstellte und zu ihnen herüberwinkte.
„ Jetzt
kommen sie“, sagte Bertha hämisch. „Jetzt, wo es
nicht mehr gefährlich ist!“
„ Wir
können aufbrechen“, sagte Dietrich, wohlweislich ohne auf
Berthas Bemerkung einzugehen, zu der Gräfin gewandt. „Dort
ist die Hilfe, auf die wir gewartet haben!“
„ Reichlich
spät kommen sie“, ließ sich die Zofe in dem ihr
eigenen schnippischen Ton erneut vernehmen. „Ohne unseren
tapferen Ritter Dietrich würden wir sie jetzt wohl nicht zu
sehen kriegen!“
Dietrich
sah die Kammerfrau der Gräfin erstaunt an. Meinte sie das ernst,
oder machte sie sich lustig über ihn? Es war Ida, die ihm die
Frage abnahm. „Und warum nicht, Bertha?“
„ Man
hätte uns längst zur Burg Geroldseck verschleppt, wenn er
nicht gewesen wäre!“
„ Ja,
das ist wahr“, entgegnete Ida, und erneut streifte ihr
bewundernder Blick Dietrich.
„ Aber
es ist ja auch seine Aufgabe, uns zu schützen“, schränkte
Bertha ihr ursprüngliches Lob wieder ein. Und mit spöttischem
Unterton setzte sie hinzu: „Das ist die Pflicht eines jeden
Ritters, nicht wahr, Herr Dietrich?“
Wieder
übernahm es Ida, zu antworten, und diesmal schwang in ihrem Ton
so etwas wie Unwillen mit. „Nicht jeder ist fähig, solch
schweren Pflichten auf so glänzende Weise nachzukommen, Bertha!“
Dietrich
bezwang den aufkommenden Ärger über die vorlaute Zofe und
besann sich auf die vor ihm liegende Aufgabe. „Gräfin,
nehmt jetzt Euren Sohn zu Euch. Ihr und Bertha werdet als erste
übergesetzt. Ich begleite Euch, weil gleichzeitig Euer Zelter
und das Saumroß transportiert werden müssen. Mehr als zwei
Tiere möchte ich bei dieser ersten Überfahrt nicht
mitnehmen, denn um sie sicher festzuhalten, werde ich mit den beiden
alle Hände voll zu tun haben.“
Er
wandte sich Giselbert zu. „Wenn ich zurückkomme, bringen
wir die restlichen drei Rosse hinüber.“
Während
die Fährleute abermals die Prozedur des Treidelns hinter sich
brachten, löste Giselbert die Fußfesseln bei Idas Reittier
und dem Packpferd und führte sie zur vorgesehenen Ablegestelle.
Inzwischen betrat Dietrich mit den Frauen und dem Knaben die
Plattform, die jetzt von zwei Fährleuten mit Tauen festgehalten
wurde. Ida hatte den kleinen Bernhard an die Hand genommen, damit
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