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Die Klinge des Löwen 02

Die Klinge des Löwen 02

Titel: Die Klinge des Löwen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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erkannte erstaunt, daß darin Mordlust und Angst im
Widerstreit lagen. Geschmeidig wich er der auf ihn zufahrenden Lanze
aus; übergangslos schlug er zu und spaltete das vordere Drittel
der Holzstange von ihrem Schaft. Ein Aufheulen war die Antwort.
Wutentbrannt wich der Angreifer zurück und schleuderte
gleichzeitig den Rest seiner nutzlos gewordenen Waffe nach Dietrich,
verfehlte ihn jedoch, und der Stangenrest blieb auf der Plattform
liegen, ohne Schaden angerichtet zu haben.
    „ Dietrich!
Achtung, hinter Euch!“ schrillte in diesem Augenblick Idas
Stimme. Er wirbelte herum und sah, daß der Mann mit dem
rostigen Eisen dabei war, die Plattform zu erklimmen, ebenso drei
seiner Kumpane. Dietrich legte sein Schwert zu Boden, packte den
Steigbaum, den er am Abend vorsorglich auf das Plateau hochgezogen
hatte und stieß so vehement zu, daß der Räuber, der
sich eben auf das Plateau schwang, in hohem Bogen durch die Luft flog
und hart auf dem Waldboden aufschlug. Dort blieb er benommen liegen.
Den anderen genügte offensichtlich dieser Anschauungsunterricht
des kampferprobten Ritters, um sich schleunigst wieder aus seiner
Reichweite zu entfernen.
    Während
der gestürzte Räuber sich stöhnend am Boden wälzte,
verschwanden seine Komplizen lautlos im Dunkel des Waldes, ohne sich
weiter um den Verletzten zu kümmern.
    Ida
erhob sich und trat zu Dietrich. „Sind sie fort?“
    Er
zuckte die Achseln. „Schwer zu sagen. Für den Augenblick
scheinen sie genug zu haben. Der Lumpenkerl, der mit seiner
Holzstange nach mir stieß, war übrigens einer der beiden,
die gestern vor mir Reißaus nahmen!“
    „ Hoffentlich
holen sie jetzt keine Verstärkung und kommen zurück.“
    Dietrich
rieb sich die Nase. Er zog es vor, darauf keine Antwort zu geben.
    „ Was
machen wir mit dem Verwundeten da unten?“ fragte Ida und
deutete auf die zerlumpte Gestalt, die sich schmerzverkrümmt und
mit erbarmungswürdigem Stöhnen auf dem Waldboden wälzte.
„Können wir ihn dort liegen lassen?“
    „ Das
müssen wir sogar“, sagte Dietrich hart. „Er hat sich
seine Lage selbst zuzuschreiben.“
    „ Aber
er ist doch ein Mensch!“
    „ Wenn
Ihr bei dem Angriff sein Gesicht gesehen hättet, würdet Ihr
anders denken“, erwiderte Dietrich trocken. „Jetzt steht
für mich unsere eigene Sicherheit im Vordergrund. Mitleid mit
diesem Kerl könnte uns in größte Gefahr bringen. Ich
weiß ja nicht, ob die anderen Schufte sich tatsächlich
entfernt haben. Vielleicht lauern sie hier irgendwo im Gebüsch
und warten bloß darauf, daß ich von dieser sicheren
Plattform heruntersteige. Und wenn mir etwas passiert, seid Ihr samt
Eurem Kind und der Zofe verloren.“
    Betroffen
starrte Ida auf ihren kleinen Sohn. „Ihr habt recht, das dürfen
wir wirklich nicht riskieren. Aber können wir denn gar nichts
tun, um dem Menschen da unten seine Lage etwas zu erleichtern? Ich
weiß nicht, wie lange ich das Gestöhne ertrage.“
    „ Daran
ist augenblicklich nichts zu ändern“, sagte Dietrich mit
Nachdruck. Er begann sich über die nach seiner Meinung
sentimentalen Anwandlungen Idas zu ärgern. „Im übrigen
mache ich mir mehr Sorgen um unsere Pferde. Bislang scheint man sie
zwar noch nicht entdeckt zu haben, aber das ist sicher nur noch eine
Frage der Zeit.“
    Sie
schien sich damit abzufinden, daß er nicht anders handeln
konnte, zumindest schwieg sie. Dietrich kam es jedoch so vor, als
läge in ihrem Blick, mit dem sie ihn streifte, alles andere als
ihr Einverständnis für seine Handlungsweise. Das wiederum
erboste ihn. Hatte er es denn nötig, sich ansehen zu lassen, als
sei er ein Rohling? Hatte er denn nicht alles Menschenmögliche
getan, um ihr Leben und das ihres Kindes und ihrer Zofe zu schützen?
Zum Teufel, er konnte doch nichts dafür, daß in diesen
verfluchten Wäldern solche Mordbuben herumschlichen!
    Die
Gräfin hatte sich inzwischen wieder bei dem Knaben und ihrer
Kammerfrau niedergelassen. Klein-Bernhard quengelte; Bertha nahm ihn
auf den Schoß und wiegte ihn und sprach beruhigend auf ihn ein.
Er war aus dem Schlaf gerissen worden und zu dieser frühen
Stunde schlecht gelaunt. Das Stöhnen des Verwundeten tat ein
übriges, um auch bei den Erwachsenen eine nervöse,
gespannte Stimmung aufkommen zu lassen.
    Der
Himmel überzog sich mit Wolken und gegen Mittag fing es leise zu
regnen an. Dietrich entschloß sich nun doch, auf die Erde
hinabzusteigen, um mit Hilfe einiger Äste von Jungtannen ein
provisorisches Schutzdach zu bauen, damit

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