Die Klinge des Löwen 02
richtig zornig zu sein. Dietrich
sah ein, daß es eigentlich besser wäre, beschwichtigend
auf die Gräfin einzuwirken, als die sinnlose Streiterei
fortzusetzen.
„ Ihr
dürft nicht glauben, daß ich nur deshalb anderer Ansicht
bin, weil ich Eure Meinung nicht achte“, sagte er eilig, um sie
zu besänftigen. „Aber bedenkt doch, die Bande mußte
damit rechnen, daß wir weiterziehen würden. Die Kerle
wissen ja nicht, daß wir praktisch an diesen Platz gebunden
sind, weil wir auf Hilfe warten. Also haben sie sich nicht erst
schlafen gelegt, sondern sich beeilt, um möglichst schnell
hierher zurückgekommen, und das hat immerhin bis zum heutigen
Morgen gedauert.“
„ Ihr
habt wohl immer recht!“ sagte Ida schnippisch. „Aber Ihr
vergeßt, daß es völlig ausreicht, wenn die Bande
einen Mann losschickt, um Verstärkung zu holen. Und das würde
bedeuten, daß sich die anderen immer noch hier herumtreiben.“
Der
hartnäckige Widerspruch der Gräfin versetzte Dietrich
allmählich selbst in Zorn.
„ Warum
streiten wir uns eigentlich?“ sagte er unwirsch. „Was Ihr
da vorbringt, zeigt nur, daß es Euch an Erfahrung in solchen
Dingen mangelt.“
Schnippisch
entgegnete Ida: „Das ist keine Antwort auf meine Feststellung!“
Dietrich
holte tief Atem, um ruhig zu bleiben. „Ich muß Euch
bitten, mir zu glauben. Einen der fünf habe ich
niedergeschlagen, nachdem ich ihn bereits zuvor mit einem Stoß
des Steigbaumes außer Gefecht gesetzt hatte. Der hat also für
den Rest des heutigen Tages genug. Wenn daher die Bande nur einen
Mann um Verstärkung losgeschickt haben sollte, dann bleiben noch
drei einsatzfähige Komplizen übrig.“
Er
machte eine Pause und betrachtete sie spöttisch. „Könnt
Ihr mir folgen?“
„ Natürlich
kann ich das“, erwiderte Ida unwillig. „Ihr wollt damit
sagen, daß wir von den verbliebenen drei Kerlen für heute
nichts mehr zu befürchten haben.“
„ Ja,
richtig, das sind meine Gedanken“, sagte Dietrich, wobei in
seinen Augen jetzt deutlich der Spott glitzerte. „Ich kenne die
Mentalität dieser Schurken. Nur in der Übermacht fühlen
sie sich stark. Aber drei Mannen mit simplen Keulen gegen einen mit
dem Schwert zuschlagenden Ritter sind aus der Sicht dieser
Galgenvögel keine Übermacht! Und genau deshalb bin ich
überzeugt, daß alle, die wir bis jetzt gesehen haben,
abgezogen sind und nur zurückkommen, wenn sie mehr Kumpane
auftreiben können. Das und der offenbar weite Weg, den sie
zurückzulegen haben, gibt uns Sicherheit bis wenigstens morgen
früh. Bis dahin sind hoffentlich unsere Leute endlich zur
Stelle.“
Idas
Augen musterten ihn mit einer Mischung aus sich abschwächendem
Ärger und wachsendem Verständnis. Schließlich nickte
sie. „Nun, gut, ich glaube Euch. Es scheint, ich bin nur eine
dumme kleine Gans, und Ihr seid ein kluger Mann.“
„ Redet
bitte nicht so. Ich mag es nicht, wenn Ihr Euch so herabsetzt vor
mir“, sagte er leise. „Schließlich habt Ihr bereits
mehrfach bewiesen, daß Ihr klug und mutig seid, wie selten eine
Frau. Aber Ihr müßt auch verstehen, daß das, was wir
jetzt durchmachen, alle Erfahrung und Geschicklichkeit eines mit dem
Waffenhandwerk vertrauten Mannes erfordert, wenn wir heil aus dieser
Sache herauskommen wollen.“
„ Ihr
habt ja recht“, sagte Ida friedfertig, und ein schwaches
Lächeln erhellte ihr Gesicht. Sie schien einzusehen, daß
seine Beurteilung der Lage wohl richtig war.
Dietrich
wechselte jetzt rasch das, wie ihm schien, heikle Thema, denn er war
froh, daß der Ärger Idas sich gelegt hatte, und er hatte
auch keine Lust, sich wegen irgendeines unbedachten Wortes erneut
ihrem Zorn auszusetzen.
„ Ich
reiche Euch jetzt den Steigbaum hinauf, damit ihr sicher seid dort
oben.“
„ Wollt
Ihr fort?“ fragte Ida erschrocken.
"Gott
bewahre, aber ich muß nach den Pferden sehen und will noch Holz
und Birkenrinde für das Feuer sammeln.“
Er
dachte daran, daß sich ihre Laune besserte, wenn sie sich
wärmen konnte. Inzwischen hatte sich auch Bertha, mit dem
Kleinen an der Hand, dazugesellt. Er reichte den beiden Frauen den
Steigbaum hinauf und schärfte ihnen ein, um keinen Preis von der
Felsformation herunterzuklettern. Sodann begab er sich zu dem
versteckten Gepäck und entnahm ihm den für die Rosse
vorgesehenen Hafervorrat. Damit eilte er zu dem Tümpel, wo die
Pferde untergebracht waren, wobei er mißtrauisch die Umgebung
musterte.
Aber
nichts rührte sich, was seinen Argwohn hätte wecken
Weitere Kostenlose Bücher