Die Klinge des Löwen 02
wie und wo ihr euch ein Vermögen
verdienen könnt. Zunächst wollte ich zwar warten, bis es
soweit ist, aber angesichts der Winkelzüge dieses Herrn sollt
ihr jetzt schon eingeweiht werden. Kommt etwas abseits! Der edle Herr
braucht nicht zu hören, was ich Interessantes zu berichten
habe.“
Mit
ungutem Gefühl verfolgte Dietrich, wie der „Blutige Jörg“
seine Gesellen beiseite zog und eifrig auf sie einredete. So sehr er
sich auch anstrengte, er konnte kein Wort verstehen. An den zuerst
erstaunten, dann freudigen Ausrufen erkannte er, daß der
Räuberhauptmann dabei war, seine Komplizen endgültig hinter
sich zu bringen.
Das
Gekrächze einiger Rabenvögel war zu hören, die über
dem Wald vorbeistrichen. Für Dietrich hörte es sich in
diesem entscheidenden Moment an, als würden sie sich höhnisch
zurufen, daß für ihn nichts mehr zu gewinnen sei...
Ida,
die das Kind an sich gedrückt hielt, hatte unbewußt seine
Hand umklammert. „Er stiftet sie gegen uns auf! Jetzt sind wir
wirklich verloren.“
Ihre
tonlose Stimme, die alle Verzweiflung der Welt ausdrückte,
schnitt ihm ins Herz. Er stellte sich insgeheim die bange Frage,
welchen Trumpf der Säuglingskopf wohl soeben ausspielte. Aber so
angestrengt er auch nachdachte, er fand keine Erklärung für
die Siegesgewißheit des Bandenführers. Und als wollte der
„Blutige Jörg“ Idas Worte bestätigen, schrie er
laut: „Holt sie euch! Aber bringt sie mir lebend!“
Während
die Banditen ausschwärmten, um die felsige Zuflucht der
Verlorenen zu stürmen, glaubte Dietrich Stimmen im Wald zu
vernehmen. Er versuchte, zu lauschen. Hatte er sich geirrt? Aber das
herauszufinden, war zwecklos, weil in diesem Augenblick die
Gesetzlosen ein tierisches Gebrüll anstimmten und sich
anschickten, die steinerne Plattform von verschiedenen Seiten zu
entern. Dietrich drängte Ida und den Kleinen zur Felslehne, wo
Bertha starr vor Entsetzen kauerte. Er stellte sich vor sie, nahm den
Schild auf und zog seine Waffe.
Erstaunt
sah er in diesem Augenblick unten einen schwarzen Wolfshund aus dem
Unterholz hervorbrechen und mit dumpfem Knurren einem der Kerle an
die Kehle fahren. Gleichzeitig brachen zwei, drei, vier der Schurken
unter einem Hagel von Speeren zusammen, ein weiterer taumelte mit
einem Pfeil in der Brust ein paar Schritte rückwärts und
sank dann schreiend zu Boden. Zahlreiche Reiter brachen aus dem
splitternden Gehölz hervor, sprangen von ihren Rossen und
stürmten mit blanker Waffe auf die Gesetzlosen zu. Der
vehemente, unerwartete Angriff überrumpelte die Banditen derart,
daß sie erschrocken wie eine vom Habicht aufgescheuchte
Hühnerschar auseinanderstoben.
„ Pest
und Tod, wir sind verraten!“ brüllte ihr Anführer.
„Zurück, Leute!“
Das
hätte er allerdings nicht erst zu befehlen brauchen, denn die
Halunken waren schon dabei, schleunigst das Weite zu suchen.
Schneller, als er begonnen hatte, endete der Überfall der von
dem „Blutigen Jörg“ angeführten Banditen.
Kopflos, als säße ihnen der Teufel persönlich im
Nacken, verschwanden sie im Dämmer des Waldes. Das war nicht
zuletzt auf die düstere Warnung Dietrichs zurückzuführen,
die den überlebenden Wegelagerern noch in frischer Erinnerung
war. Lediglich die zurückgelassenen Toten, die unter dem Beschuß
der Retter ihr Leben ausgehaucht hatten, zeugten von der grausamen
Wirklichkeit des unerwarteten Geschehens.
Alles
war so schnell abgelaufen, daß die Menschen auf dem
Felsplateau, die sich schon verloren glaubten, erst jetzt begriffen,
daß sie gerettet waren. Ida fiel Dietrich schluchzend vor
Erleichertung um den Hals; selbst die sonst so spröde Bertha
umarmte den Ritter; und der kleine Bernhard, der die Aufregung der
Erwachsenen nicht recht begriff, hielt sich mit beiden Händchen
am Waffenrock Dietrichs fest und betrachtete mit großen Augen
das Geschehen am Fuße ihrer Felsenzuflucht.
Unten
gewahrte Dietrich seinen Kriegsknecht Giselbert, dessen lachendes
Gesicht die Freude am Sieg und der rechtzeitigen Rettung seiner
Herrschaft verkündete. Neben ihm stand Roland mit vom Kampf
erhitztem leuchtendem Gesicht und starrte erwartungsvoll hinauf zu
seinem Herrn. Hinter ihnen hatte sich ein gutes Dutzend
schwerbewaffneter Krieger aufgebaut.
Sie
alle warteten wohl auf ein Lob von Dietrich; der aber beschäftigte
sich zunächst mit seinen Schützlingen, die ob der mit
knapper Not entronnenen Gefahr für Leib und Leben ganz
fassungslos waren. Beruhigend drückte Dietrich die
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