Die Klinge des Löwen 02
entwickeln. Allerdings hatte er bei der
Übergabe der Gefangenen an den Herzog noch einige bange
Augenblicke zu überstehen.
Auf
die Frage Bertholds, warum er den Bruder von Ida, dessen Gemahlin und
das Gesinde auf ihrer eigenen Burg festgehalten habe, war der schlaue
Graf jedoch vorbereitet. Er behauptete, daß der Herr der
Kastelburg die Beschuldigten so lange verstecken wollte, bis über
die von ihm, Urban, erhobenen Vorwürfe gegen Dietrich und Ida
Gras gewachsen wäre. Für ihn sei dies Beweis genug gewesen,
daß Idas Bruder mit ihr und ihrem Buhlen unter einer Decke
steckte. Herzog Berthold schluckte diese an sich fadenscheinige
Begründung, weil seine Berater ihn nur oberflächlich über
die Streitigkeiten seiner Vasallen in einer Region unterrichtet
hatten, die ihn ohnehin nur am Rande interessierte.
Am
Tag der Verhandlung hatte Dietrich sich pünktlich und nur in
Begleitung seines Knappen Roland vor der Gerichtsstätte
eingefunden. Während die zu dem Prozeß zugelassenen
Adligen in der Mitte des Morgens eintrafen und nach und nach den
Großen Saal füllten, mußten Ida und Dietrich im
Kreise von Dienern und Waffenträgern der Burg draußen in
der Vorhalle warten.
Schließlich
wurden die beiden Angeklagten in den Gerichtssaal gerufen, wo sie,
einige Schritte von dem Podest entfernt und flankiert von zwei
Bewaffneten aus des Herzogs Begleitung, die ihnen zur Last gelegten
Verfehlungen hören sollten. Ida war totenbleich, und wegen ihres
von Natur etwas dunklen Teints hatte ihre Gesichtsfarbe einen Stich
ins Gelbliche angenommen, als sei ihr die Galle ins Blut gestiegen.
Und in ihren braunen Augen glomm ein Feuer unbändigen Zorns
darüber, daß jemand es gewagt hatte, sie vor dieses
Tribunal zu zerren.
Dietrich
dagegen wirkte gelassen, fast sorglos. Zwar hatte er keine Ahnung,
was der Geroldsecker hinsichtlich der Bezichtigung der Buhlschaft
vorbringen würde, aber er hatte sich vorgenommen, allem zu
widersprechen. Denn was konnte der Ankläger schon von seiner
Beziehung zu Ida wissen, die sie bisher ja nicht sonderlich vertieft
hatten?
Graf
Max beugte sich zu dem Herzog hinüber und flüsterte ihm
etwas zu. Der Vorsitzende nickte und wandte sich an einen der im
Hintergrund stehenden Bediensteten. „Bringt einen Stuhl, damit
Gräfin Ida sich setzen kann!“
Zwei
der Diener verschwanden durch eine Seitentür und kamen mit einem
Armsessel zurück, den sie neben der Gräfin abstellten. Ida,
die bisher hoch erhobenen Hauptes vor aller Augen demonstriert hatte,
daß sie sich von den Vorbereitungen zu dieser
Gerichtsverhandlung nicht beeindrucken ließ, setzte sich. Sie
hatte absichtlich ein weißes Gewand angezogen, um mit dieser
Farbe ihre Unschuld allen vor Augen zu führen. Darüber trug
sie einen zurückgeschlagenen goldfarbenen Umhang, den über
der Brust eine goldene Spange zusammenhielt. Auf ihrem Haupt saß
eine zierliche goldfarbene Haube mit einem hauchdünnen weißen
Seidenschleier, der ihr über den Rücken herabfiel, so daß
ihr wohlgeformtes Kinn und der schlanke weiße Hals frei
blieben. Ohne ihre Reize über Gebühr zu betonen, hatte sie
doch geschickt eine Aufmachung gewählt, deren Zauber das Gemüt
der hier versammelten Männer in ihrem Sinne umfangen sollte. Von
diesen Absichten ahnte Dietrich natürlich nichts, obwohl auch
ihm der dezent betonte Liebreiz der Gräfin nicht verborgen
blieb. Er stand breitbeinig und mit unbewegtem Gesicht neben ihr und
bot das Bild eines selbstbewußten Kriegsmannes. Angetan mit
Brünne und blauem Waffenrock, den ein breiter und mit farbiger
Seide bestickter Ledergürtel umschloß, mit grauen
Beinlingen und weichen Stulpenstiefeln, hatte er sich vor dem
Tribunal aufgestellt. Als Angeklagter war er ohne Waffen, wie es die
gerichtliche Vorschrift forderte.
Natürlich
war sein zur Schau getragenes Selbstbewußtsein nicht echt, aber
das merkte ja keiner. Das Letzte, was er und Ida zeigen durften, war
Unsicherheit. Er wußte, daß sein Gegner das geringste
Zeichen von Schwäche als Eingeständnis ihrer Schuld ans
Licht zerren würde. Aber er war finster entschlossen, dem
Geroldsecker die Suppe zu versalzen. Er würde alles tun, wenn es
gälte, Ida zu retten...
Herzog
Berthold gab dem Ankläger einen Wink. „Graf Urban, Ihr
könnt beginnen. Sprecht jetzt. Was habt Ihr gegen die beiden
Angeklagten vorzubringen?“
Der
rotgesichtige Geroldsecker trat lautlos vor und stellte sich so, daß
er sich zwischen dem Gericht und den Angeklagten und gegenüber
den
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