Die Klinge des Löwen 02
Schöffen befand. Er trug ein braunes, über die Knie
reichendes, gegürtetes Gewand, dazu dunkelgraue Beinlinge, und
darüber einen mit einer Schnalle am Hals geschlossenen Mantel
von dunkelgrüner Farbe. Seine Füße steckten in
hellbraunen Stiefeletten aus weichem Leder, mit flacher Sohle und
vorne spitz zulaufend, während deren kurzer Schaft stulpenartig
umgeschlagen war und gerade noch das Fußgelenk umschloß.
In seinem Wehrgehenk befand sich ein Schwert mit vergoldetem Knauf,
dessen Griff seine Linke umklammerte, während er sich
umständlich räusperte. Er stellte den rechten Fuß
nach vorne, sah den wartenden Herzog an und begann endlich, auf
dessen ermunterndes Kopfnicken hin, mit rauher Stimme zu sprechen.
„ Meine
Anklage gegen den hier anwesenden Ritter Dietrich vom Hain umfaßt
zwei Punkte“, sagte er langsam, wobei er den Namen des
Beschuldigten besonders betonte. „Erstens, ich beschuldige ihn
des Mordversuches an meinem Sohn Egeno vor einigen Wochen auf der
Fähre vor der Husenburg. Zweitens beschuldige ich ihn der
Buhlschaft mit Ida von Ortenburg, die er im Auftrag ihres Gemahls zur
Kastelburg begleitete. Er hat sich damit zweier todeswürdiger
Verbrechen schuldig gemacht, die, jedes für sich, die Ehre der
deutschen Ritterschaft befleckten, wenn sie nicht gesühnt
würden.“
Der
Ankläger legte eine Kunstpause ein, um seine harten Vorwürfe
auf den Richter und die Umstehenden wirken zu lassen. Nur mit Mühe
vermochte er ein hämisches Lächeln zu unterdrücken.
Max von Ortenburg, der mit aschfahlem Gesicht, neben dem Herzog
sitzend, die Rede des Geroldseckers verfolgt hatte, sah dies wohl. Er
wußte, daß sein Erzfeind die Stunde seines angestrebten
Triumphes auskosten wollte. Mit zusammengepreßten Lippen
wartete er auf den nächsten Schlag, den Urban von Geroldseck
führen würde.
Hochaufgerichtet
und mit unverhülltem Hochmut zeigte dieser nun auf die beiden
Angeklagten. „Das Verbrechen der Buhlschaft oder, noch
deutlicher ausgedrückt, des Ehebruchs, bedarf natürlich
zweier Personen. Und diese zweite Person ist die hier sitzende Ida
von Ortenburg.“
Max
von Ortenburg erhob sich erregt. Aber ehe er etwas sagen konnte,
hielt ihn Herzog Berthold mit gebieterischer Geste zurück.
„ Bleibt
auf Eurem Platz, verehrter Graf“, sagte der Vorsitzende leise.
„Wir wollen doch nicht schon zu Beginn einen Tumult auslösen!“
Widerspruchslos
und weiß wie eine gekalkte Wand ließ Max sich wieder auf
seinen Stuhl sinken. Anschließend wurde Graf Urban von Herzog
Berthold aufgefordert, seinen unterbrochenen Vortrag fortzusetzen.
„ Nun,
gut“, sagte der Ankläger mit leisem Spott in der Stimme.
„Dann will ich dem Gericht jetzt die Einzelheiten der genannten
Verfehlungen bekanntgeben. Beginnen wir mit Dietrich vom Hain. Er
ist, wie wir alle wissen, ein Vasall des Herrn der Ortenburg. Von
diesem scheint er beauftragt worden zu sein, dessen Gemahlin auf
einer Reise zur Kastelburg zu begleiten. An sich ist es eine völlig
normale Aufgabe für einen Ritter, reisenden Damen Geleitschutz
zu gewähren und sie in diesen unsicheren Zeiten, wenn es not
tut, mit der Waffe vor Unbill zu bewahren. Ganz besonders gilt das
natürlich, wenn es sich um eine hochgeborene Dame wie Ida von
Ortenburg handelt!“
Wiederum
verstummte der Geroldsecker für einen Moment und ließ
seinen Blick über die Versammlung schweifen, als wollte er sie
damit auf die kommenden schwerwiegenden Beschuldigungen einstimmen.
„ Leider
scheint dieser junge Vasall seine ritterlichen Pflichten nach eigenem
Gutdünken auszulegen. Was ich damit sagen will? Nun, er war wohl
der Ansicht, diese Reise käme einem Kriegszug gleich - und
entsprechend verhielten er und die ihn begleitenden Bewaffneten
sich.“
Abermals
legte der Ankläger eine Kunstpause ein. Herzog Berthold wartete
sichtlich gespannt, den Kopf auf die Rechte gestützt, worauf der
Geroldsecker hinaus wollte. Urban, der die interessierte Miene des
Richters befriedigt zur Kenntnis nahm, leitete nun mit genüßlicher
Stimme die entscheidende Phase zu diesem ersten Punkt seiner Anklage
ein.
„ Mehrere
meiner Mannen war zur selben Zeit unterwegs.“
Er
wandte sich jetzt mit erklärender Geste direkt an Herzog
Berthold: „Eine Abteilung meiner Burgbesatzung streift häufig
durch das Land, um Recht und Ordnung innerhalb meiner Grafschaft
sicherzustellen. Ein solcher Reitertrupp, unter dem Befehl von Justus
Schwertfeger, traf bei Biberaha auf Dietrich vom Hain und
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