Die Klinge des Löwen 02
seine
Waffenknechte. Und was geschieht? Auf die höfliche Frage
Schwertfegers, was die Fremden auf Geroldsecker Boden suchten, bricht
Dietrich einen Streit vom Zaun. Meine Leute werden angegriffen, und
Justus Schwertfeger kommt dabei ums Leben, getötet von einem
Waffenknecht Dietrichs vom Hain.“
Urban
hielt inne, und die im Saal herrschende Stille verstärkte den
düsteren Eindruck seiner Worte.
„ Damit
nicht genug!“ rief der Ankläger mit theatralischer Gebärde
in das Schweigen. „Nachdem man mir von dem Vorfall berichtet
hatte, sandte ich einen Verfolgertrupp hinter den Mördern her,
um sie zu fassen. Dabei fanden abermals einige meiner Männer den
Tod, während die Gesuchten erneut entkamen. Und als dann mein
Sohn Egeno Dietrich und seine Leute bei der Husenburg endlich stellen
konnte, entzog sich der Angeklagte wiederum seiner Festnahme durch
eine Gewalttat. Noch auf der Fähre griff er zum Schwert und
verletzte meinen Sohn so schwer, daß dieser noch heute an einer
nur langsam heilenden Beinwunde leidet.“
Mit
finsterem Gesicht sah Urban von Geroldseck sich im Saale um. Durch
ein geöffnetes Fenster wurde der Gesang einer Schwarzdrossel in
die Halle getragen, die irgendwo draußen ihr nuancenreiches
Lied flötete, als wollte sie die versammelten Menschen auf
friedlichere Gedanken bringen. Aber Urban hatte anderes im Sinn als
Frieden. Sein von Natur rötliches Gesicht war eine Spur dunkler
geworden, als er drohend die Faust schüttelte und rief: „Solche
verbrecherischen Handlungen sind die Wurzeln des Aufruhrs! Darf die
Ritterschaft es dulden, daß ein einzelner alle Gesetze bricht
und seinen Mutwillen über Recht und Ehre anderer setzt? Sie darf
es nicht! Denn das wäre ein Frevel wider das Gelübde, das
ein jeder Ritter bei der Schwertleite ablegt! Das wäre ein
Frevel vor Gott, dem wir alle unser Leben geweiht haben! Das wäre
ein Frevel wider den Schwur, 'tadellos im höfischen Geist und
ehrenfest in männlichen Tugenden' zu sein.“
Er
wandte sich an den Herzog, zeigte mit der ausgestreckten Linken auf
Dietrich und setzte in grimmigem Ton hinzu: „Aber Mord ist
keine Tugend! Auch ein Mordversuch kann nicht gebilligt werden. Ich
fordere deshalb die gerechte Strafe für die Vergehen dieses
Ritters.“
Während
Urban zurücktrat und sich auf einem Armstuhl an der dem Gericht
gegenüberliegenden Wand niederließ, richtete Herzog
Berthold das Wort an Dietrich. „Nun ist es an Euch, zu
sprechen. Sagt uns, ob die Vorwürfe des Anklägers
berechtigt sind. Wenn nicht, dann versucht, sie zu widerlegen!“
Dietrich
warf seinem Lehnsherrn einen kurzen Blick zu und sah erstaunt in fast
flehend auf ihn gerichtete Augen. Befürchtete Graf Max, er als
sein Vasall könnte sich nicht wirksam verteidigen? Das wäre
absurd, die Angst unbegründet, denn fast alles, was der
Geroldsecker vorgebracht hatte, war gelogen oder verdreht. Er würde
jetzt mit diesen Lügen aufräumen, und anschließend
durch die draußen wartenden Zeugen seine Darstellung
untermauern.
Mit
unbewegtem Gesicht sah er den Richter an, als er mit
leidenschaftsloser Stimme seine Verteidigung begann. „Es ist
wahr, daß mich Graf Max von Ortenburg zum Führer des
Geleitschutzes für seine Gemahlin bestimmte. Aber der Ankläger
hat es vermieden, Euch den Grund zu nennen, der uns zu dieser Reise
zwang. Er...“
Dietrich
brach ab, denn sein Widersacher war so ungestüm aufgesprungen,
daß dessen Stuhl gegen die Wand polterte.
„ Was
soll denn das heißen?“ rief Graf Urban erregt. „Der
Grund der Reise spielt doch überhaupt keine Rolle! Es sind die
Vergehen des Angeklagten, die wir hier behandeln, und nicht
irgendwelche Gründe, die ihn zu diesem Ritt bewogen!“
„ Beruhigt
Euch, Graf Urban, und setzt Euch wieder“, sagte Herzog Berthold
unwirsch. "Mich interessiert es schon, warum man Ida von
Ortenburg unter der Obhut des Beschuldigten zur Kastelburg schickte.“
Freundlich
lächelnd nickte er dem neben ihm sitzenden Graf Max zu und
veranlaßte anschließend Dietrich mit einer einladenden
Handbewegung, fortzufahren. Inzwischen hatte auch der Ankläger
sich mit finsterer Miene wieder auf seinen Platz zurückgezogen.
„ Graf
Urban hat gute Gründe, das Motiv für unsere überstürzte
Abreise zu verschweigen, obwohl oder gerade, weil er es sehr gut
kennt“, sagte Dietrich. Er sprach und benahm sich weiterhin so
kühl, als hätte das kleine Intermezzo eben nicht ihm
gegolten, sondern einem anderen. Er kannte den
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