Die Klinge des Löwen 02
passiert", wiederholte er ironisch die Worte
des Zeugen. "Dann hat sich Dietrich also tatsächlich nur
zur Wehr gesetzt, und daß Ihr, Egeno, dabei verletzt wurdet,
war offenbar vor allem Eure Schuld.“
Das
Gesicht des jungen Geroldseckers glänzte jetzt, als wäre es
mit Fett eingerieben. "Ja, so kann man sagen..."
Der
Herzog beugte sich interessiert vor. „Was hattet Ihr denn für
einen Grund, auf Dietrich loszugehen?“
Egeno
antwortete nicht gleich. Er sah zunächst seinen Vater an, dessen
sonst gerötetes Gesicht bleich geworden war und dessen Hände
die Armlehnen seines Stuhles in ohnmächtigem Zorn umkrampften.
Und als endlich die stockende Antwort seines Sohnes kam, wirkte das
Antlitz des Anklägers so steinern, als gehörte es einer
Marmorstatue.
„ Auf
Geheiß meines...Vaters sollte ich Dietrich samt seiner
Begleitung...gefangennehmen.“
„ So?
Und warum das?“
Der
junge Geroldsecker sah abermals hilflos zu seinem Vater hin, der
wieder einmal aufsprang, um in das Verhör einzugreifen.
„ Das
ist ganz einfach zu erklären“, sagte Urban von Geroldseck
schnell, als wollte er der Antwort seines Sohnes zuvorkommen. „Egeno
kennt die zugrunde liegenden Vorgänge nicht so genau. Mir schien
es damals aufgrund von Berichten notwendig, die Gefangennahme zu
befehlen. Mein Sohn führte lediglich diesen Befehl aus, ohne daß
ich ihn in die Einzelheiten eingeweiht hatte. Ein wichtiger Zeuge für
den zweiten Teil dieses Prozesses wird darüber Aufschluß
geben. Ich bitte daher das Gericht, die Klärung der Frage
zurückzustellen.“
„ Zurückstellen?
Nun, wenn Ihr meint“, sagte Herzog Berthold spöttisch und
warf dem Ankläger einen forschenden Blick zu. „Hoffen wir,
daß die Antwort darauf zufriedenstellend ausfallen wird. Aber
bleibt einmal hier, wenn Ihr schon dasteht! Was meint Ihr denn dazu,
daß der angebliche Mordversuch an Eurem Sohn nach dessen
eigener Darstellung gar keiner war?“
Sichtlich
verlegen kratzte Urban sich am Kopf. „Na ja, ich bekam es so
erzählt.“
„ Von
wem? Von Eurem Sohn?“
„ Nein,
der war wegen seiner Verletzung nicht ansprechbar.“
„ Ach?
War er denn bewußtlos?“
„ Das
gerade nicht - aber da er große Schmerzen hatte, wollte ich ihn
nicht zusätzlich belasten.“
„ Verständlich,
daß für Euch als Vater das Wohl Eures Sohnes im
Vordergrund stand. Aber wer hat Euch denn dann von dem Zwischenfall
erzählt? Und wie kommt es, daß Ihr daraus einen
Mordversuch abgeleitet habt?“
Da
die Aufmerksamkeit der Versammlung auf den sich windenden Ankläger
gerichtet war, hielt Dietrich es für ungefährlich, der
neben ihm sitzenden Ida etwas zuzuflüstern. „Unser
gemeinsamer Feind kommt ins Schwimmen!“
Die
Gräfin blickte kurz zu ihm auf, und er sah, wie ihre Augen
triumphierend leuchteten. Ihr Antlitz hatte wieder seine normale
Tönung angenommen; nichts von der einem galligen Zorn
entsprungenen Verfärbung war mehr zu sehen.
Widerwillig
gestand Graf Urban ein, daß er das von Egenos Waffenknechten
berichtete Geschehen willkürlich als Mordversuch ausgelegt
hatte.
„ Ihr
müßt wissen, Hoheit“, sagte er betreten zu Herzog
Berthold, „als Vater liegt einem das Wohl des eigenen Kindes am
Herzen. So mag es gekommen sein, daß ich vorschnell und
einseitig urteilte.“
Er
deutete mit einer Handbewegung auf Egeno und fuhr mit plötzlichem
Nachdruck in der Stimme fort: „Meinen Sohn trifft daran keine
Schuld, das möchte ich ausdrücklich betonen. Es war allein
mein besorgtes Vaterherz, das mich zu der falschen Schlußfolgerung
verleitete.“
Herzog
Berthold nickte und lächelte dazu spöttisch. Dann ließ
er seinen Blick über die Reihe der Schöffen wandern. „Wir
wollen es dem Ankläger nachsehen, daß er als Vater
voreilig falsche Schlüsse zog, und ihm empfehlen, den Vorwurf
des Mordversuches gegen Dietrich fallen zu lassen.“
Noch
bevor die Schöffen dazu kamen, sich entsprechend zu äußern,
sagte Graf Urban erleichtert und eine Verbeugung andeutend: „Ich
danke für Eure Großmut, Hoheit, und ziehe
selbstverständlich die Anklage in diesem Punkt zurück."
Nachdem
der Geroldsecker die Beschuldigung ziemlich kleinlaut zurückgenommen
hatte, unterbrach der Herzog die Gerichtsverhandlung und ließ,
da es inzwischen Mittag war, eine Pause ausrufen. Die Versammlung
zerstreute sich, viele verließen die Halle, um draußen
frische Luft zu schöpfen. Max von Ortenburg und der herzogliche
Richter hatten sich ebenfalls erhoben, blieben aber noch
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