Die Klinge des Löwen 02
zusammengepreßten Lippen
wartete er ab, bis der Herzog geendet hatte. Dann brach es aus ihm
hervor. „Ich bitte um Vergebung, Hoheit, aber ich glaube, Ihr
geht zu weit, wenn Ihr mich öffentlich einen Narren nennt!
Eingangs habe ich gesagt, daß mein Zeuge nicht mit den
höfischen Sitten vertraut ist. Deshalb bitte ich, ihm
nachzusehen, wenn er sich ein wenig unbeholfen ausdrückt.“
Der
Richter verzog seinen Mund zu einem geringschätzigen Lächeln.
„Vielleicht wäre es besser gewesen, Ihr hättet Euch
Eure Zeugen in Eurem Stand gesucht, dann wärt Ihr nicht auf
solche Tölpel wie den da angewiesen.“
„ Mit
Verlaub, Hoheit, die Zeugen in einer solchen Sache wachsen nicht wie
das Gras“, gab der Ankläger giftig zurück.
Herzog
Berthold winkte ab. „Schon gut, lieber Graf. Wir wollen jetzt
hören, was die Angeklagten zu der Behauptung des Zeugen zu sagen
haben. Dietrich vom Hain, mich interessiert zunächst Eure
Version.“
Der
Herzog deutete im Sitzen eine leichte Verbeugung in Richtung der
Damen an, und ein charmantes Lächeln erhellte plötzlich
sein Gesicht. „Die beiden Damen mögen mir verzeihen - aber
ich werde auch ihnen zu gegebener Zeit mein Ohr leihen.“
Zu
Dietrich gewandt, sagte er: „Sprecht jetzt, damit ich
angenehmere Worte zu hören bekomme, als das Geschwätz von
vorhin!“
Dietrich
atmete auf. Die Erklärung des Richters war für ihn wie eine
Aufforderung, sich und Ida aus dieser Intrige durch sorgfältig
gewählte Worte herauszuwinden. Er beschloß, sofort den
Zeugen anzugreifen, da er ja wußte, was dieser auf dem Kerbholz
hatte.
„ Erdmann“,
begann er mit kühler Stimme, „hat kein Recht, hier zu
stehen, weil er ein völlig unglaubwürdiger Zeuge ist. Er
stand damals scheinbar im Dienst meines Lehnsherrn. Ich sage
'scheinbar', denn diesen Dienst hatte er sich unter falschem Vorwand
erschlichen. Das wurde bereits während des ersten Teils unserer
Reise deutlich. Er war als Waffenknecht für die Bedeckung
eingeteilt, aber schon am ersten Reisetag ließ er uns im Stich
und verschwand. Ich bekam ihn erst wieder zu Gesicht, als er mit
einem Kriegshaufen vor der Husenburg erschien und sich als
Gefolgsmann des Grafen Urban von Geroldseck zu erkennen gab.“
„ Wollt
Ihr damit sagen, daß der Zeuge als Agent des Anklägers
operierte?“
„ Ja,
Eure Hoheit, so ist es.“
„ Das
stimmt nicht, was der Angeklagte hier behauptet!“ Graf Urban
war erregt vorgetreten. „Erdmann hatte sich während der
Reise über Dietrich maßlos geärgert, weil dieser als
Anführer der Gruppe ihn auf die schäbigste Art behandelte.
Das war der Grund, warum Erdmann dann in meine Dienste trat!“
„ Nun
ja“, sagte der Herzog seufzend, zog die Augenbrauen hoch und
wiegte den Kopf. „Jetzt steht Aussage gegen Aussage. Ihr habt
noch einen Zeugen?“
„ O
ja!“ sagte der Ankläger eilfertig. „Soll ich ihn
rufen?“
Mit
einer Handbewegung gab der Herzog seine Zustimmung. Zu Erdmann, der
mit ineinander verkrampften Händen verloren im Saal stand, sagte
er streng: „Entferne dich und komme mir nicht wieder unter die
Augen.“
Während
der solcherart gemaßregelte Kriegsknecht mit gesenktem Kopf und
verkniffenem Mund hinausschlich, eilten zwei Saaldiener an ihm
vorbei, um den zweiten Zeugen hereinzuholen.
Als
Dietrich den baumlangen, glatzköpfigen Mann erblickte, der da
mit trotzig vorgeschobenem Kinn hereingeleitet wurde, dachte er
verblüfft: 'Das darf doch nicht wahr sein – Jörg
Wigand!' Machte der Geroldsecker jetzt schon mit Räubern und
Halsabschneidern gemeinsame Sache?
Die
kleinen, tückischen Augen des Räuberhauptmannes wanderten
flink hin und her. Mehrmals sandte er einen schnellen hilfesuchenden
Blick zu Graf Urban, dessen inzwischen wieder gerötetes Gesicht
jedoch keinerlei Regung zeigte.
Dietrich
wunderte sich über die Dreistigkeit des Verbrechers, vor einem
solchen Tribunal zu erscheinen. Wieviel Silber mochte Urban ihm
geboten haben, um ihn zu diesem riskanten Schritt zu bewegen? Aber
vielleicht war das Risiko für den Kerl gar nicht so groß!
Wohl niemand, ging es Dietrich durch den Kopf, außer ihm und
Ida wußte, daß man den mörderischen Gesellen in
seinen eigenen Kreisen wegen seines finsteren Gewerbes den „Blutigen
Jörg“ nannte. Er wäre sonst womöglich, noch ehe
er sein Lügenmaul hätte aufmachen können, in Fesseln
abgeführt worden.
Der
Herzog musterte den Zeugen eingehend. Schließlich zog er die
rechte Augenbraue hoch, als sei seine Betrachtung
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