Die Klinge des Löwen 03
begleitete seine verletzende Äußerung.
"Es ist der
alte Fahrweg, auf dem Waren vom Strom und Holz aus den Wäldern
zu uns transportiert werden", sagte Graf Max finster und warf
dem Geroldsecker einen grimmigen Blick zu. Er hatte sehr wohl
verstanden, daß dessen ätzende Bemerkung als Seitenhieb
auf seine Gemahlin Ida gemünzt war.
"Ja, ja",
murmelte Urban. "Das weiß ich alles. Aber nachdem die
Vorhut aus einer anderen Windrichtung gekommen ist, wird die
Hauptmasse wohl kaum einen solchen Umweg machen."
Eine
Weile herrschte nun Schweigen. Urban starrte wortlos vor sich hin und
schien zu überlegen. Von draußen drangen Wortfetzen und
Gelächter der rauhen Kriegsgesellen in das Zelt. Dietrich und
Graf Max, denen der Ärger noch im Gesicht stand, saßen
abwartend da und blickten auf die verzerrten Schatten, die das
unruhige Talglicht an die Zeltbahnen warf. Aber je länger Urbans
Schweigen dauerte, desto mehr entspannte sich zumindest Dietrichs
Miene. Ihm war aufgefallen, daß seine letzten Worte den
Geroldsecker offenbar doch nachdenklich gestimmt hatten.
"Nun
ja", sagte dieser schließlich mürrisch. "Schaden
kann es nicht, ein paar Späher in die westliche Richtung zu
schicken. Wir hatten ja bisher nichts mit solchen Steppenstrolchen zu
tun und kennen daher deren Gewohnheiten nicht."
Max schwieg dazu, da
er sich trotz Urbans Einlenken noch immer über dessen zuvor
gemachte anzügliche Bemerkung ärgerte. Dietrich dagegen war
erleichtert, jedoch weniger, weil er seinen Kopf durchgesetzt hatte,
sondern wegen der Möglichkeit, daß der Feind, sollte er
tatsächlich von Westen kommen, unter Umständen die
Thiersburg entdeckte. Mehr unbewußt spielte bei seiner
Überlegung vor allem der Gedanke mit, daß Adelheid bereits
dort lebte. Immerhin war sie jetzt seine Frau, und somit war es seine
Pflicht als Ehegemahl, sie vor Ungemach zu schützen. Die Gefahr
der Entdeckung der Burg wurde zwar durch eingesetzte Spähtrupps
nicht ausgeschaltet, aber diese mochten feindliche Kräfte früh
genug ausmachen, um dann das eigene Heer zu alarmieren, so daß
letztlich auch die Sicherheit der Thiersburg gewährleistet sein
würde.
Urban, der nun trotz
seines Nachgebens den anderen beiden zeigen wollte, daß er nach
wie vor das Heft in der Hand hatte, ließ sogleich einen seiner
eigenen Männer namens Willekin zu sich rufen. Kurz darauf betrat
ein bärtiger Kriegsmann in Lederbrünne und Eisenhaube das
Zelt. Ohne Umschweife fragte Graf Urban den Waffenknecht: "Kennst
du den Karrenweg, der vom Rhein in unser Gebiet führt?"
Willekin kratzte
sich den struppigen blonden Bart. "Meint Ihr die Waldstraße,
auf der man die Sümpfe umgeht?"
"Ja, ja, die
meine ich", entgegnete Urban ungeduldig.
"Dort war ich
noch nie, Herr. Aber ich kann mir vorstellen..."
"Du sollst dir
überhaupt nichts vorstellen", unterbrach ihn der
Geroldsecker unwirsch, "sondern gut aufpassen, was ich dir jetzt
sage: Nimm dir vier Leute für einen nächtlichen
Erkundungsgang. Brecht sofort auf, überquert die Künzig und
reitet schnurgerade nach Westen. Hinter den Thiersperger Höhen
beginnen die Wälder. Dort führt ein Weg in diese
Waldgebiete hinein. Meiner Meinung nach könnt ihr unbesorgt bis
zum Waldrand vorrücken. Wenn ihr den Weg gefunden habt, dann
reitet ein Stück weit in den Forst hinein. Solltet ihr dabei
wider Erwarten auf feindliche Kräfte stoßen, dann zieht
euch sofort zurück und bringt mir die Nachricht. Falls ihr aber
nichts dergleichen entdeckt, so bleibt trotzdem an Ort und Stelle bis
zum Morgengrauen. Hast du das begriffen?"
Der breitschultrige
Kriegsmann, der mit offenem Mund zugehört hatte, wiederholte
kurz den Befehl, empfing ein gnädiges Kopfnicken seines Herrn
und zog sich wieder zurück.
"So",
meinte der Geroldsecker mit einem verächtlichen Seitenblick auf
Dietrich, "jetzt ist hoffentlich der Absicherung unserer
Westflanke Genüge getan und wir können endlich unsere
Vorgehensweise planen! Für mich ist es keine Frage, daß
der Feind von Offinburc aus angreifen wird, und die Slawenbande, die
sich dort eingenistet hat, ist die Vorhut. Es ist doch einleuchtend,
daß die Kerle jetzt in der Marktsiedlung auf die Hauptmasse
warten, die nach meiner Meinung auf demselben Weg hinterherkommt."
Er verstummte und
blickte seine beiden Zuhörer einen nach dem anderen forschend
an, wobei er angriffslustig das Kinn vorschob. Während Dietrich
sich zurückhielt, nickte Graf Max und erwiderte: "Ich
glaube auch, daß die Gefahr aus dem Norden
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