Die Klinge des Löwen 03
aufzogen. Ein dreifaches
Hornsignal aus ihren Reihen weckte die Aufmerksamkeit der
Burgbewohner.
Dietrich,
von einem Wächter gerufen, erschien im Torturm und spähte
durch einen der Mauerschlitze. Er sah eine Schar von schätzungsweise
dreißig Bewaffneten, die mit ihren unruhigen Rossen unmittelbar
vor dem Burggraben angehalten hatten. Ein untersetzter Mann im
Fuchspelz, der auf dem Kopf eine braune Kappe trug, deren langen
Zipfel er sich als Kälteschutz um den Hals geschlungen hatte und
der mit Mühe seine graue Stute ruhighielt, schien der Anführer
der Fremden zu sein. Dietrich versuchte mit seinen Augen angestrengt,
festzustellen, welcher Art die Ankömmlinge seien, aber der Nebel
ließ es nicht zu, sich ein klares Bild zu machen. Er konnte
lediglich in Umrissen erkennen, daß einige der Berittenen
Lanzen trugen und daß der Reiter neben dem Mann im Fuchspelz
eine Stange mit schlaff herabhängendem Wimpel hielt, so daß
auch daraus nichts zu entnehmen war.
Dietrich
richtete sich auf und sagte zu dem neben ihm stehenden Wächter:
"Wenn Fremde unangemeldet in so großer Zahl und dabei voll
bewaffnet vor einer Burg erscheinen, bedeutet das selten etwas Gutes.
Frage, was sie begehren!"
Der
Mann nickte und stellte sich vor die Schießscharte. Indem er
beide Hände als Schalltrichter an den Mund legte, rief er: "He,
Leute! Mein Herr wünscht zu wissen, wer ihr seid und was ihr von
ihm wollt."
Der
Mensch im Fuchspelz schrie zurück: "Wo ist denn dein Herr?"
Der
Wächter blickte fragend auf Dietrich, der ihm zunickte und mit
einer Geste bedeutete, daß er anwesend sei.
"Mein
Herr steht neben mir!"
"Ist
er taubstumm, daß er sich nicht selber meldet?"
Ergrimmt
schob Dietrich den Wächter beiseite und rief durch den
Mauerschlitz: "Normalerweise rede ich nicht mit Landstreichern!
Entweder ihr nennt sofort den Grund eures kriegerischen Aufzugs vor
meiner Burg oder ich lasse euch wie ein Rudel Wölfe aus dem
Bereich unserer Feste jagen!"
Der
Fuchspelz machte eine Bewegung, die sich im Nebel ausnahm wie eine
spöttische Verbeugung. "Ich bin Euch gern zu Willen, edler
Herr! Mein Amt ist das eines Herolds. Ich bringe den Edelleuten der
Region eine Botschaft, die sie in Ruhe anhören und sorgfältig
bedenken sollten. Hört..."
Er
mußte sich unterbrechen, weil sein Roß während des
Wortwechsels derart unruhig geworden war, daß er ihm für
einen Moment die Zügel halbwegs freigeben und es hin und her
bewegen mußte, ehe es ihm gelang, das Tier wieder zur Ruhe zu
zwingen.
"Der
sollte erst einmal auf einem Schaukelpferd reiten lernen",
raunte Dietrich dem Wächter zu.
"Hört
mich also an", schrie der Fremde, nachdem er seinen Gaul wieder
beherrschte. "Ich komme im Auftrag des Grafen Marek Gotvac, der
das große Heer befehligt, von dem Ihr sicher schon gehört
habt!"
Die
letzten Worte waren mit ätzendem Spott gesprochen, aber Dietrich
preßte die Lippen zusammen und enthielt sich jeder Antwort auf
die höhnische Bemerkung. Er wußte jetzt, daß er
Slawen vor sich hatte, und wartete gespannt, was folgen werde.
"Im
Namen des Königs Otto von Braunschweig ist unser Heer in Eure
Lande gekommen, um die ungerechtfertigten Ansprüche Eures
Landesherrn Philipp von Schwaben auf die Herrschaft im Reich aus der
Welt zu schaffen und damit allen Edlen und Freien dieser Region wahre
Freiheit, echten Frieden und Wohlstand zu bringen."
Dietrich
sah, daß der Herold eine Geste des Bedauerns machte, ehe er
fortfuhr: "Leider gibt es bei euch Leute, die noch nicht wissen,
daß König Otto das Wohlergehen aller Bewohner des Reiches
am Herzen liegt. Um solches Wissen den Menschen nahezubringen,
braucht er die Mitarbeit des Adels. Meine Aufgabe ist es, alle Burgen
des Landes aufzusuchen und die Burgherren entsprechend aufzuklären.
Im Namen Graf Gotvacs, des verlängerten Armes von König
Otto, empfehle ich Euch daher, mit uns zusammenzuarbeiten - Euch auf
unsere Seite zu schlagen und mitzuhelfen, die ehrenhaften Ziele des
einzigen und wahren deutschen Königs zu verwirklichen!"
Feinel,
denn um niemand anderen handelte es sich, verstummte. Dietrich schrie
erbost durch den Mauerschlitz: "Bist du jetzt fertig mit deiner
Märchenstunde?"
"Noch
nicht ganz", rief Feinel. "Eure Worte zeigen mir, daß
Ihr einer von jenen seid, die unsere edlen Absichten nicht verstehen
wollen. Deshalb hört meine Warnung: Wer nicht für uns ist,
muß sich vorsehen! Wer sich unserem Bestreben, dem Reich
Frieden und Freiheit zu bringen, widersetzt, bekommt
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