Die Klinge des Löwen 03
verirren?"
entgegnete Ida mit deutlichem Zweifel in der Stimme. "Das wäre
ein Zufall, der kaum eintreten wird."
Adelheid
richtete sich in ihrem Sessel etwas auf und zwang sich zu einem
ruhigen, sachlichen Ton: "Dieser Zufall, wie du es nennst, Ida,
hat sich wohl schon ereignet."
Sie
schilderte nun in kurzen Worten das Auftauchen jenes mysteriösen
Besuchers, den sie im Verdacht hatte, ein Spion zu sein. Ida hörte
ihr aufmerksam zu, vermied es jedoch, näher auf Adelheids
Vermutung einzugehen, und wandte sich statt dessen an Dietrich.
"Können
wir es uns überhaupt leisten, einige unserer Krieger zu
entbehren? Schließlich stehen wir doch dem Slawenheer im Wege
und nicht die Thiersburg."
Dietrich
sah sie nachdenklich an. "Das ist wohl wahr. Aber die günstige
Lage der Ortenburg, die unbezwingbaren steilen Felsen auf der
Westseite und der Berg mit dem steil abfallenden Wald in unserem
Rücken machen es jedem Feind nahezu unmöglich, die
Burgverteidigung zu überwinden. Ich denke, wir können ein
paar Waffenknechte entbehren!"
"Wie
viele sollen es denn sein?"
"Ein
halbes Dutzend würde genügen", sagte Adelheid schnell
entschlossen.
Ida
warf der anderen einen abschätzenden Blick zu. "Bescheiden
bist du gerade nicht, meine Liebe! Wir wollen doch die Kirche im Dorf
lassen! Glaubst du, wir könnten uns von so vielen Bewaffneten
trennen, ohne uns selbst zu gefährden? Mit mehr als zwei Leuten
darfst du nicht rechnen!"
Jetzt
sprang Dietrich seiner Gemahlin bei: "Aber Gräfin, was
nützen zwei Kriegsleute, wo mehr als doppelt so viele fehlen?
Ich meine, für die Verstärkung der Thiersburg sollten wir
fünf Mann abstellen. Insgesamt versehen dann zehn Kriegsknechte
dort ihren Dienst. Das ermöglicht einen wirksamen Widerstand
gegen einen Angriff, der nur von der Talseite aus möglich wäre.
Unsere Mannschaft hier umfaßt dann immer noch sechsunddreißig
Waffenknechte, das ist mehr als genug."
"Welchen
Vorteil haben wir davon?" entgegnete Ida kühl.
"Nun,
sollte die Thiersburg von den Slawen entdeckt werden, kann sie sich
nach der Aufstockung der Burgbesatzung wirksam zur Wehr setzen. Das
wiederum wird die fremden Eroberer insofern irritieren, als sie
künftig bei allen Handlungen gegen die Ortenburg mit feindlichen
Kräften rechnen müssen, die ihnen womöglich in den
Rücken fallen."
"Wegen
zehn Männlein würde ich mir aber deswegen keine Sorgen
machen, wenn ich Slawe wäre!" sagte Ida spöttisch.
"Darum
geht es doch nicht, Gräfin", antwortete Dietrich gereizt,
der sich allmählich über den Widerstand seiner Geliebten zu
ärgern begann. "Jede Burg hat einen Einflußbereich,
innerhalb dessen der Burgherr die männlichen Bewohner zum
Kriegsdienst einziehen kann, auch um mit seiner Streitmacht einem
bedrohten Nachbarn beizustehen. Solcher nachbarliche Beistand ist es,
den ein Heerführer fürchten muß, wenn er eine Burg
belagert."
Ida
verzog die Mundwinkel. "Also, was Ihr mir hier erzählt, mag
so zutreffen oder auch nicht. Mir scheint es allerdings eines jener
kriegerischen Gedankenspiele zu sein, denen ihr Männer euch so
gerne widmet. Mich überzeugt Eure Theorie nicht. Vor allem aber
will ich nicht riskieren, daß eines Tages ein paar nach
Knoblauch stinkende Slawenkrieger an meine Kemenatentür klopfen
und Einlaß begehren, nur weil fünf Leute fehlen, um so
etwas zu verhindern. Fünf Krieger, die auf eine gottverlassene
Burg geschickt wurden, an der kein Mensch interessiert ist!"
Dietrich
fühlte, daß ihm die Diskussion zu entgleiten drohte. Was
sollte Adelheid von ihm denken, wenn Ida ihn, den Lehensträger
und derzeitigen Herrn der Ortenburg, behandelte wie einen unreifen
Knaben? Wenn er sich von der Gräfin auf diese Weise abkanzeln
ließ, würde seine Gemahlin allen Respekt vor ihm
verlieren, dessen war er sich gewiß. Insgeheim verwünschte
er die von Herzog Berthold bewilligte Regelung, Ida in Fragen der
Mannschaftsstärke in Kriegszeiten ein Mitspracherecht
zuzubilligen. Er blickte Adelheid unsicher an und sah, daß sie
ihn nachdenklich betrachtete, als sei ihr klar geworden, daß er
nichts zu sagen habe...
Mit
verbissenem Gesichtsausdruck spielte er seinen letzten Trumpf aus.
"Gräfin, es gibt noch einen anderen Grund, die Überstellung
der von Adelheid gewünschten Kriegsknechte zu befürworten.
Ihr wißt, daß die Ernte schlecht und auch die Abgaben
mager waren, teils durch das Wetter, vor allem aber durch die
kriegsbedingten Zerstörungen. Unsere Vorrräte sind deshalb
denkbar knapp. Ich
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