Die Klinge des Löwen 03
seiner Gemahlin war.
Verwirrt deutete sie vor der eintretenden Adelheid eine flüchtige
Verneigung an. Sie richtete sich rasch wieder auf und sah hastig, als
habe sie etwas zu verbergen, in die Richtung, aus der Idas Stimme
erklungen war. Dietrich folgte erstaunt ihrem unsicheren Blick und
gewahrte am Ende der Kemenate einen Vorhang, an den er sich nicht
erinnern konnte und der den dahinter liegenden Raum wohl neugierigen
Blicken verbergen sollte. Hinter diesem Raumtrenner befand sich
offenbar Ida.
"Ihr
könnt gehen, Bertha", sagte Dietrich freundlich zu der
Kammerfrau, die nun, wie es schien, gezwungenermaßen den Raum
verließ.
"Na,
Dietrich, komm ruhig näher", ertönte Idas Stimme
samtweich hinter dem Vorhang. "Du kannst mir behilflich sein,
komm nur!"
Dietrich
fühlte, wie er einen roten Kopf bekam, und Adelheid musterte ihn
mit einem mißtrauischen Blick. Aber bevor er antworten konnte,
rief Gräfin Ida mit lockender Stimme: "Komm doch endlich!"
Im
nächsten Augenblick schlug sie den Vorhang mit den Worten
zurück: "Worauf wartest du... ach, du bist...Ihr seid nicht
allein!"
Dietrich
stockte der Atem, als er sah, daß sie in einem Unterkleid aus
weißer Seide vor ihnen stand. Das fein gewirkte Gewebe war fast
durchsichtig und enthüllte mehr als es verbarg. Ida ließ
ihre Blicke überrascht von einem zum anderen wandern. Plötzlich
lachte sie hell auf, und mit erstaunlicher Kaltblütigkeit
versuchte sie, die peinliche Situation zu meistern.
"Ihr
beiden kommt gerade recht, um mir zu helfen!" rief sie. "Ich
probiere soeben eine neue Cotta*, die ich mir von meinen Kammerfrauen
schneidern ließ!"
*[ Die
Cotta wurde als Hauptgewand über dem Unterkleid getragen. ]
Dietrich
hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, was ihm in
Gegenwart Adelheids unangenehmer war - Idas Unverfrorenheit, mit der
sie die höfischen Sitten mißachtete, oder ihre
Schamlosigkeit, mit der sie zuvor versucht hatte, ihn hinter den
Vorhang zu locken, weil sie meinte, er sei allein. Er war sich
darüber im klaren, daß Adelheid dieses Spiel durchschaut
und wohl bereits ihre Schlußfolgerungen gezogen hatte.
Aber
Ida war geistesgegenwärtig genug, um die Situation bereits
wieder zu beherrschen. "Ach, ich kann später weitermachen",
sagte sie achselzuckend, als habe sie es sich anders überlegt,
und mit scheinbar herzlichem Wohlwollen rief sie der Besucherin zu:
"Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, Adelheid, und ich bin
sehr neugierig, was du aus dem unsicheren Land da draußen zu
berichten weißt! Lege doch deinen Umhang ab, Liebste, und nimm
Platz am Kamin, da ist es gemütlich. "Du...Ihr, Dietrich,
auch! Ich will mich nur schnell zurechtmachen, und dann können
wir uns unterhalten."
Während
sie sich wieder hinter den Vorhang zurückzog, setzte sich
Dietrich auf einen Armstuhl, und Adelheid ließ sich in einem
Sessel mit Lehne nieder, über den ein Bärenfell gebreitet
war. Ihre ernste, unbewegte Miene verbarg zwar ihre Gefühle,
aber im Innersten wußte sie jetzt, daß ihr Ehegemahl ihr
allem Anschein nach die Treue gebrochen hatte. Eine tiefe Traurigkeit
erfaßte sie, und als Dietrich versuchte, sie mit ein paar
spaßigen Bemerkungen aufzuheitern, sah sie ihn nur mit von Gram
umflorten Augen an, so daß ihm die Worte auf den Lippen
erstarben.
"So,
ihr beiden, jetzt können wir plaudern!" rief Ida ihnen
leutselig zu, als sie wieder hinter dem Vorhang hervorkam. Sie trug
jetzt ein weinrotes, bis zum Boden reichendes Gewand, das in der
Taille von einer daumendicken, golddurchwirkten Kordel
zusammengehalten wurde. Sie setzte sich den beiden gegenüber in
einen Armsessel und sah Adelheid mit vergnügtem Lächeln an.
"Kaum
hat die Sonne einmal über den Nebel gesiegt, da bricht bei den
Menschen offenbar die Reiselust aus. Sag' mir, Liebste, was hat dich
bewogen, in diesen unsicheren Zeiten über Land zu ziehen?"
Adelheid
warf der anderen einen wehmütigen Blick zu, aber Dietrich kam
ihr mit einer Antwort zuvor. "Ihr habt den Grund bereits
genannt, Gräfin - die Zeiten sind unsicher geworden, seit der
Feind unsere Mortenau besetzt hält. Adelheid bittet
mich...bittet uns, ihr für die Thiersburg einige Waffenknechte
abzustellen. Die Zahl der wehrfähigen Mannen dort genügt
zwar in Friedenszeiten, wenn jedoch eine der umherstreifenden
Slawenhorden die Feste entdeckt, dann glaube ich nicht, daß
meine kleine Burgmannschaft ausreicht, sie wirksam zu verteidigen."
"Warum
sollten die Steppenstrolche sich in euer abgelegenes Tal
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