Die Klinge des Löwen 03
durchschaute,
auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ.
"Höre",
sagte sie entschlossen. "Ich verlange diese sechs Mann von dir
nicht aus weiblichem Übermut, wie du vielleicht meinst. Und ich
bin selbst gekommen, weil ich damit rechnete, daß du dich
weigern könntest. Hätte ich einen oder zwei Krieger
geschickt, dann wären sie wohl unverrichteter Dinge
zurückgekehrt. Sie hätten nicht gewagt, dir zu
widersprechen, wenn du ihnen die Bitte abgeschlagen hättest."
"Aber
du wagst es?"
"Mit
Wagnis hat das in meinem Fall wenig zu tun, mein lieber Gemahl. Es
gibt vielmehr einen triftigen Grund, warum ich von dir ein halbes
Dutzend Kriegsleute verlange! Kürzlich war ein Fremder auf
unserer Burg, den ich aufgrund seiner seltsamen Ausflüchte
verdächtige, daß er bei uns spionieren wollte. Falls ich
recht habe, wird der Standort der Thiersburg den Slawen bald bekannt
sein, wenn sie es nicht schon wissen. Allein darum muß unsere
waffenfähige Burgmannschaft verstärkt werden!"
Verblüfft
hatte Dietrich seiner jungen Gemahlin zugehört. Was sie ihm da
sachlich und emotionslos auseinandersetzte, sagte ihm, daß sie
ihren offenbar sehr beweglichen Verstand zu gebrauchen wußte
und die Gegebenheiten nüchtern beurteilte. Ihm wurde in diesem
Augenblick auch klar, daß er sie nicht länger wie eine
unreife Maid behandeln konnte. Er rieb sich die Nase und überlegte.
Adelheid beobachtete ihn schweigend. Es schien ihr gelungen zu sein,
seine ablehnende Haltung zu erschüttern. Ein Gefühl der
Erleichterung überkam sie. Sie sollte jedoch gleich erfahren,
daß es dazu noch zu früh war.
"Nun,
wenn das so ist", sagte Dietrich in versöhnlichem Ton,
"dann werde ich dir die Bitte zwar nicht abschlagen, aber ich
kann nicht allein entscheiden."
"Wen
muß ich denn noch fragen?" sagte Adelheid betroffen.
Zögernd und mit erstauntem Gesichtsausdruck fuhr sie fort: "Du
bist der Lehensträger dieser Burg. Damit hast du doch die
Befehlsgewalt - oder irre ich mich?"
Dietrich
verspürte plötzlich den Wunsch, sie zu trösten. "Wenn
es darum geht, Waffenknechte in so erheblicher Zahl abzuziehen, um
sie sozusagen unter fremden Befehl zu stellen, hat Gräfin Ida
als Witwe des verstorbenen Burgherrn in Kriegszeiten ein
Mitspracherecht! Diesen Anspruch setzte sie bei Herzog Berthold
durch, bevor er mich zum Lehensträger ernannte."
Als
er ihre enttäuschte Miene sah, legte er in einer Anwandlung
zärtlicher Fürsorge den Arm um ihre Schultern und gab sich
gleichzeitig den Anschein von Zuversicht. "Mach' dir keine
Sorgen, ich werde das schon regeln. Komm mit mir zu Ida, wir wollen
das Problem jetzt gleich mit ihr besprechen, und du wirst erleben,
daß sie deine Sorgen verstehen und nicht nein sagen wird!"
Sie
beantwortete seine unerwartete körperliche Geste mit einem
verdutzten und fragenden Blick in sein Gesicht, ließ es aber
dennoch geschehen, daß er sie auf diese Weise aus dem Raum
führte. Draußen auf dem mit Steinplatten belegten
fensterlosen Flur, der durch Talglichter erhellt wurde, die in
eisernen Pfannen ein flackerndes Licht von den Wänden warfen,
ließ er sie allerdings schnell wieder los, da ihm gerade noch
rechtzeitig Idas kritische Aufmerksamkeit einfiel, mit der sie eine
solche Tuchfühlung bei anderen Frauen betrachtete.
Vor
der Tür zu Idas Kemenate lehnte links und rechts jeweils ein
Page lässig an der Wand. Die beiden Burschen richteten sich
eilig auf, als sie Dietrich und Adelheid erblickten.
"Melde
mich bei deiner Herrin!" gebot er einem der beiden. Der Page
verneigte sich, wandte sich der dicken Eichentür zu und klopfte
vernehmlich. Er lauschte, und da keine Antwort von drinnen kam,
pochte er erneut an die Tür.
"Was
soll der Lärm", rief in der Kemenate eine weibliche Stimme.
"Die Herrin hat jetzt keine Zeit!"
Dietrich,
der Berthas Stimme erkannt hatte, schob den Pagen beiseite und
öffnete selbst die Tür ein Stück weit, ohne jedoch den
Raum zu betreten. "Ich bin es, Dietrich!"
Vom
entfernten Ende der Kemenate war das Tuscheln weiblicher Stimmen zu
vernehmen. Dann hörten die Wartenden rasche Schritte, und in der
Türöffnung tauchte Bertha auf. Sie erschien Dietrich etwas
verlegen, denn sie begann umständlich zu erklären, daß
er später wiederkommen solle, als Idas Stimme aus dem
Hintergrund erklang und sie unterbrach.
"Dietrich
soll ruhig hereinkommen, und du, Bertha, laß uns allein!"
Erst
als Dietrich an der Kammerfrau vorbei den Raum betreten hatte,
erkannte diese, daß er in Begleitung
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