Die Klinge des Löwen 03
Weile.
"Hast du sie am Fluß gelassen?"
"Nein, sie
waren ja schon alle getränkt", entgegnete Roland und fuhr
eifrig fort: "Ich habe mich auf Titus geschwungen und die Rote
am Langzügel geführt. Der Stute folgte wie immer die ganze
Herde, und dazu im Galopp und bergauf. Normalerweise mache ich das
nicht, aber Euch rasch die alarmierende Nachricht zu überbringen,
fand ich in diesem Augenblick dringlicher, als die Wasserbäuche
der Rosse zu schonen."
"Schon gut,
Knappe", sagte Dietrich, schob die leere Schüssel von sich
und stand auf. "Laß dir von Karolina dein Abendbrot
auftischen. Ich werde mich jetzt, anstatt meinen müden Knochen
nachzugeben und schlafen zu gehen, ins Heerlager aufmachen. Es könnte
ja sein, daß besonders der Geroldsecker voreilige Maßnahmen
treffen und am Ende gar unser Heer für eine unsinnige
Nachtaktion aufscheuchen will. Eine solche Narretei müssen wir
doch verhindern, was?"
Roland nickte und
strahlte seinen Herrn an. "Man hätte Euch überhaupt
die alleinige Heeresführung überlassen sollen."
Dietrich lachte laut
auf. "Ich fürchte, das hätte bei Urban einen
Tobsuchtsanfall mit schlimmen Folgen hervorgerufen! Nein, nein,
Herzog Berthold hat schon dem Richtigen die Hauptverantwortung
aufgeladen. Jetzt soll der Geroldsecker Maulheld einmal beweisen, daß
er mehr kann, als nur Ränke zu schmieden."
"Das klingt
aber nicht sehr hoffnungsvoll, Herr."
"Ist es auch
nicht. Um einem Gegner standzuhalten, der bald zweimal so stark ist
wie unsere eigenen Kräfte, erfordert vor allem Geistesgegenwart
und List. Wenn du mich fragst, ist Graf Urban mit diesen
Kriegstugenden nicht sonderlich gesegnet."
"Dann meint Ihr
also, daß die Slawen uns besiegen werden?"
"Ich weiß
es nicht, Roland. Vielleicht haben wir Glück, wenn trotz Urban
alle ihr Bestes geben. Ausweichen können wir der Gefahr so oder
so nicht."
In dem Gemach war es
dunkler geworden. Die mit gewachstem Leinen verschlossenen Fenster
spendeten keine Helligkeit mehr, denn draußen begann das
Tageslicht der Dämmerung zu weichen. Dietrich erhob sich und
sagte: "Sattle mir, bevor du mit dem Essen anfängst, rasch
mein Roß, damit ich noch vor Dunkelheit ins Heerlager komme!"
*
Nordwestlich der
Thiersburg, die einsam in einem engen, verschwiegenen Tal der dort
auslaufenden Schwarzwaldberge lag, dehnten sich riesige Laubwälder
im Wechsel mit dazwischen liegenden unwegsamen Sümpfen. Sie
erstreckten sich über weite Bereiche der Rheinebene, wobei eines
der Waldgebiete im Osten vor einer leicht ansteigenden und schon
lange trockengefallenen Landschaft endete, deren schwach ausgeprägte
Hügel als Thiersperger Höhen bezeichnet wurden. Westwärts
hatte sich die Baumwildnis teilweise bis ans Ufer des großen
Stromes vorgeschoben, immer wieder unterbrochen durch ausgedehnte
Moore, die unter der Herrschaft unendlicher Moskitoheere und
zahlloser stechlustiger Bremsen in der Sonne brüteten. Hier
führte kaum ein Pfad durch die Wildnis, und wehe dem Menschen
oder dem Tier, die sich an schwülwarmen Tagen in diese
Höllenlandschaft wagten. Schon mancher war hier für immer
verschwunden. Allerdings gab es eine enge Waldstraße, die von
einer Schiffsanlegestelle am Rhein in grotesken Windungen die
Sumpfgebiete umging und zu den Thiersperger Höhen führte.
Die Bezeichnung "Straße" war freilich für die Hälfte der Strecke kaum gerechtfertig. Vom Rhein
aus war es zunächst nicht mehr als ein heilloser Karrenweg, der
aus nicht mehr als zwei tiefeingegrabenen und oft morastigen Furchen
bestand, gegraben von den Rädern ungezählter Ochsenkarren,
mit denen mühsam sowohl das in den Laubwäldern geschlagene
Holz, als auch die über den großen Strom herbeigeschafften
Waren in die Mortenau verfrachtet wurden. Erst auf der zweiten Hälfte
der Strecke wurde daraus ein einigermaßen trockener Weg, auf
dem die Fuhrwerke zügiger vorankamen.
An diesem
schwülwarmen Sommerabend fand hier jedoch ein Transport ganz
anderer Art statt: Auf der Waldstraße wälzte sich eine
ungewöhnliche Kolonne von West nach Ost, ungefähr zu der
Zeit, als Dietrich in der Dämmerung das Heerlager seiner Leute
aufsuchte.
Dort ging es trotz
der Nachricht von dem Slawenüberfall auf Offinburc recht lustig
zu. Die Waffenknechte lagerten um Feuerstellen, wo sie lärmten
und grobe Späße zum besten gaben, während sie auf das
Wildbret oder den Haferbrei warteten, die von dafür abgestellten
Hörigen über den Feuern zubereitet wurden. Einige
Bewaffnete hatten zwei Fässer
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