Die Klinge des Löwen 03
Wein von weiß Gott wo
herbeigeschafft, und so war es kein Wunder, daß bei Gelächter
und Gesang die Becher kreisten. Es fehlte, wie nicht wenige meinten,
nur noch an Weibern, um das vergnügliche Kriegerleben zu
vervollständigen. Die herbeizulotsen, wagte man nun aber doch
nicht, und wenn das Kriegsvolk gewußt hätte, was ihm
bevorstand, dann wäre es bei den lustigen Gesellen sicherlich
ruhiger zugegangen.
Aber keiner im Lager
ahnte, was sich in der Ferne näherte - auf jener schmalen
Straße, die für friedliche Holztransporte gedacht war und
die mitten ins Herz der Mortenau führte. Es war der in eine
riesige Staubwolke gehüllte Heerbann der Slawen, der sich wie ein todbringender Lindwurm durch die
Baumwildnis schob.
Eine aus einem
Dutzend gepanzerter Reiter bestehende Vorhut sicherte das vor ihnen
liegende unbekannte Gelände. Hinter ihnen folgte in langem Zug
das berittene Heer, an das sich viele Pferdegespanne mit Kriegsgerät
anschlossen. Hinter den Kriegswagen und vor einer nicht
endenwollenden Kette von Bewaffneten zu Fuß trotteten
verzweifelte Bauern und Hörige - meist jüngere Menschen -,
die man auf dem langen Weg nach Süden gefangengenommen und
zwangsweise zum Kriegsdienst in das Slawenheer gepreßt hatte.
Auf diese Weise war das Heer inzwischen auf annähernd
achtzehnhundert Häupter angewachsen. Zwischen den Fußsoldaten
rumpelten zahlreiche Ochsenkarren dahin, die Proviant, Waffen,
Handwerkszeug und geplündertes Gut transportierten. Über
dem ganzen Zug lastete träge und dicht der aufgewirbelte Staub,
der das Atmen erschwerte.
Der polnische Graf
Godvac, der Anführer der Streitmacht, war ein hünenhafter
Mann mit wallendem strohgelbem Haar, das in Strähnen bereits in
das Grau des Alters überging. Seine Haltung ließ davon
allerdings nichts erkennen. Er ritt eine starkknochige Schimmelstute
und saß mit jugendlicher Geschmeidigkeit im Sattel. Seine
graublauen Augen blickten aufmerksam und trotz des langen Rittes ohne
eine sichtbare Spur von Müdigkeit umher. Das vorspringende Kinn
und das wettergegerbte Gesicht drückten Willenskraft und Energie
aus, gleichzeitig aber auch eine überlegene Ruhe, als sei sich
der Mann seiner Machtstellung wohl bewußt. Was man ihm nicht so
ohne weiteres ansah, war ein verdeckter Zug von rücksichtsloser
Grausamkeit in den Augen und um den fast sinnlichen Mund. Meistens
vermochte er den Hang dazu gut zu verbergen, und so manches seiner
Opfer hatte zu spät die triebhafte Gewalttätigkeit dieses
Mannes erkannt.
Das Ziel Godvacs war
die Residenz Philipps von Schwaben. Er hatte den Auftrag, auf der
alten, einst von den Römern erbauten Heerstraße ins Herz
des Feindes vorzustoßen. Für die Dauer des Kriegszuges
stand er im Sold des Welfen Otto von Braunschweig. Dieser hatte ihm
befohlen, die Streitkräfte des Erzfeindes zu vernichten,
wichtige Landesteile zu besetzen und mit Feuer und Schwert aufsässige
Bewohner zu bekämpfen und zu unterdrücken.
Der Pole wußte,
daß er ausgesorgt hatte, wenn es ihm gelang, den Staufer
Philipp zu besiegen und den Weg zur alleinigen Königsmacht und
damit zur Kaiserwürde für den Welfen freizumachen. Wie er
dabei selber zu großem Reichtum käme, hatte ihm Feinel,
sein jüdischer Berater, längst klargemacht. Dessen Wurzeln
lagen im inzwischen untergegangenen Reich der Chazaren, einem zuvor
mächtigen und kriegerischen Turkvolk, das sich einst im
östlichen Schwarzmeergebiet und im Kaukasus angesiedelt hatte.
Der Übertritt von mehr oder weniger großen Teilen dieses
Volkes zum Judentum erfolgte um 800 nach Christus. Etwa
hundertfünfzig Jahre später vernichtete ein Heer der Rus*
das Chazarenreich. Die überlebenden Ahnen Feinels und anderer
Volksgenossen waren nach Westen geflüchtet und hatten sich
schließlich in Polen niedergelassen.
*[ Vorläufer
der Russen. ]
Feinel, der auf
einem grauen Pferd neben Gotvac ritt, war, anders als sein polnischer
Herr, von rundlicher Gestalt und glich mit seinem auffallend runden
Kopf und dem dichten braunen Kraushaar eher einem gemütlichen
Kneipenwirt, als dem listigen Berater eines Hochgestellten. Aber
gerade sein biederes Aussehen machte ihn unentbehrlich für den
Heerführer. Er konnte für Gotvac wichtige Leute aushorchen,
die niemals merkten, daß sich hinter der Maske der
Harmlosigkeit ein gefährlicher Spion verbarg. Ein weiterer
auffälliger und eigentlich störender Charakterzug Feinels
war seine Bereitschaft sich über andere lustig zu machen und
selbst da, wo es
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