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Die Klinge: Roman (German Edition)

Die Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Ihnen reden?«
    »Klar. Komm rein.«
    Der Junge ging langsam und leicht gebeugt, als hätte er Magenkrämpfe.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Ian.
    Charles schüttelte den Kopf.
    »Warst du bei der Krankenschwester?«
    »Nein. Das würde nicht … Im Sekretariat hat man mir gesagt, Sie hätten jetzt Sprechstunde.«
    »Das stimmt. Setz dich doch.«
    Charles nahm an einem Pult in der ersten Reihe des Klassenzimmers Platz. Sein Gesicht sah feucht und teigig aus. Dunkle Ringe umgaben seine Augen. Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht.
    Ian war es schon oft aufgefallen – wie stark ein Junge einem müden alten Mann ähneln kann.
    »Wo liegt das Problem, Charles?«
    »Es ist etwas Persönliches. Ich meine, es hat nichts mit den Noten oder so zu tun. Es geht einfach darum, dass ich in Schwierigkeiten stecke.«
    »Deinem Aussehen nach muss es etwas Ernstes sein.« Ian stand von seinem Stuhl auf, ging um den Schreibtisch herum und setzte sich vorn auf die Kante. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Ich weiß es nicht, Mr. Collins. Ich bin völlig durchein ander. Ich meine, alles lief gut … bis vor ein paar Tagen. Jetzt bin ich total neben der Spur. Ich weiß nicht, was mit mir passiert. Plötzlich geht alles drunter und drüber. Ich kann mich auch nicht mehr aufs Lernen konzentrieren. Ich dachte, ich sollte vielleicht mit jemandem darüber reden …«
    »Hast du mit deinen Eltern gesprochen?«
    »Soll das ein Witz sein? Die würden kotzen, wenn sie wüssten, was los ist. Aber Sie sind anders. Ich meine, Sie verstehen einen. Sie hören einem zu.«
    »Was soll ich denn verstehen?«
    »Also.« Charles zögerte. Er warf einen Blick zur Tür, als überlegte er, wieder zu gehen. Dann sah er Ian in die Augen. »Ich hab da was am Laufen«, sagte er. »Ich glaub, man könnte es eine Affäre nennen.«
    »Ist das Mädchen schwanger?«
    »Gott, ich hoffe nicht. Obwohl es sein könnte. Ich meine, ich hab kein Kondom benutzt. Ich dachte, sie würde sich darum kümmern.«
    »Aufgrund solcher Annahmen sind schon viele Männer Väter geworden.«
    »Sie muss sich darum gekümmert haben. Warum sollte sie nicht? Ich meine, sie ist verheiratet. Sie muss sich mit so was auskennen.«
    »Sie ist verheiratet? Kein Wunder, dass du Angst hast, es deinen Eltern zu erzählen.«
    »Sie werden es ihnen doch nicht sagen, oder?«
    »Nein, auf keinen Fall. Wie lange triffst du dich schon mit dieser Frau?«
    »Noch nicht lange.« Nervös blickte er auf seine Hände. »Ich kenne sie seit einem Monat oder so, aber wir haben nicht … Montagabend war das erste Mal, dass wir es gemacht haben. Und letzte Nacht. Erst zweimal, bis jetzt.«
    »Was ist mit ihrem Mann?«
    Erschrocken sah Charles auf. »Was soll mit ihm sein?«
    »Weiß er es?«
    »Oh Gott, ich hoffe nicht! Ich meine, er hat uns nicht dabei erwischt oder so. Sie erzählt ihm, dass sie Sitzungen hat oder Kurse oder was weiß ich. Und wir machen es nie bei ihr zu Hause.«
    »Das will ich auch nicht hoffen.«
    »Ich habe dieses Wohnmobil. Da sind Betten drin. Da haben wir es gemacht. Sie wissen schon, irgendwo in einer Seitenstraße.«
    »Das ist bestimmt ungefährlicher als in ihrem Haus.«
    »Es war ihre Idee. Die ganze Sache geht von ihr aus. Ich weiß noch nicht mal, warum sie es mit mir machen will. Ich meine, ich bin doch noch ein halbes Kind.«
    »Das könnte Grund genug sein. Wie alt ist sie?«
    »Ich weiß nicht. Fünfundzwanzig oder dreißig, schätze ich.«
    »Willst du es beenden?«
    »Ich weiß nicht. Verdammt, es gefällt mir. Sie ist wirklich scharf , verstehen Sie? Aber das Ganze jagt mir eine Scheißangst ein. Entschuldigung, das ist mir so rausgerutscht.«
    »Ich habe schon Schlimmeres gehört.«
    »Sie macht mir Angst. Und noch mehr Angst habe ich, dass ihr Mann es rausfindet.«
    »Das solltest du auch.«
    »Und, verdammt, Mr. Collins … Ich mache mir sogar selbst Angst, so tief, wie ich da drinstecke. Ich weiß nicht, was ich tue. Ich meine, ich weiß es schon. Und ich weiß, dass es nicht richtig ist. Aber es ist, als würde es jemand anders machen und ich würde nur zugucken wie irgendein dämlicher Volltrottel. Es ist, als hätte ich dabei gar nicht mitzureden. Ich mache einfach mit, egal was passiert. Das treibt mich in den Wahnsinn.«
    »Du solltest die ganze Sache beenden.«
    »Wie denn?«
    »Hör einfach auf, dich mit der Frau zu treffen.«
    »Das ist nicht so einfach.« Er blickte auf seine gefalteten Hände und schüttelte den Kopf, als dächte er über eine

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