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Die Klinge: Roman (German Edition)

Die Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sehen. Sie blinzelte, und eine Träne rollte über ihre Nase. »Mike hat die Grippe.«
    »Du hast ihn umgebracht.«
    »Nein, er hat die Grippe. Ziemlich schlimm sogar. Er muss wahrscheinlich die ganze Woche im Bett bleiben.«
    »Du hast ihn umgebracht.«
    Albert klappte die Brieftasche auf, die er bei dem Telefon am Nebenanschluss liegen gelassen hatte, und zog die Visitenkarte heraus. Darauf stand: Mike Abercrombe, Geschäftsführer, Apparel Plus, außerdem eine Adresse an der 3 rd Street und eine Telefonnummer.
    »Ist das die Nummer, die du anrufst, wenn er nicht zur Arbeit geht?«
    »Er ruft an. Ich rufe nie an.«
    »Tja, heute ist er einfach zu krank, meinst du nicht auch? Wann ruft er gewöhnlich an?«
    »Um halb neun.«
    »Ich rate dir, nicht zu lügen.«
    »Ich lüge nicht.«
    »Fährt er mit dem Auto zur Arbeit?«
    »Ja.«
    »Allein?«
    »Ja.«
    »Keine Fahrgemeinschaft oder so?«
    »Nein.«
    »Du solltest besser nicht lügen. Mit welchem Auto fährt er?«
    »Mit dem Buick.«
    »Okay. Was ist mit Charlenes Schule? Wann geht sie los?«
    »Um halb neun.«
    »Wie kommt sie dahin?«
    »Zu Fuß.«
    »Mit Freunden?«
    »Ja.«
    »Holen sie sie ab?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher?«
    »Sie wohnen auf dem Weg. Sie trifft sie unterwegs.«
    »Okay. Was ist mit dir? Gehst du arbeiten?«
    »Nein.«
    »Irgendwelche Termine heute?«
    »Nein.«
    »Erwartest du Besuch?«
    »Nein.«
    »Gut. Ich komme in einer Stunde zurück, dann erledigen wir ein paar Telefonate.«
    Er nahm die Klebebandrolle, die er neben dem Telefon liegen gelassen hatte, riss einige kurze Streifen ab und klebte der Frau den Mund zu.
    Im Bad schlug er den Morgenmantel auf und urinierte. Während sein Strahl in die Toilette plätscherte, betrachtete er Charlene in der Badewanne.
    »Und wie geht’s dir an diesem herrlichen Morgen?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht.
    Albert spülte und ging zurück ins Elternschlafzimmer. In einer Schublade fand er Socken und zog sie an. Dann lief er nach unten.
    Seine blutigen Kleider lagen in einem Haufen auf dem Wohnzimmerboden. Er hob die Jeans auf und zog die Schlüssel von Miltons Auto aus einer Vordertasche.
    Auf dem Küchentisch entdeckte er Charlenes Handtasche. Die Schlüssel für den Mustang waren darin.
    Er ging durch die Küchentür hinaus. Der Morgen war kalt. Er schauderte, als er eine Runde um das Haus drehte und die Gegend inspizierte. Ein hoher Lattenzaun umgab den Garten hinter dem Haus. Vorn war der Garten zur Straße und zu einer Seite hin offen. An der anderen Seite, wo auch die Einfahrt lag, wurde er durch Bäume voller gelber und orangefarbener Blätter vom Nachbarhaus abgeschirmt.
    Das Viertel schien ziemlich ruhig zu sein.
    Er sah niemanden.
    Er ging in die Garage und stieg in Charlenes Mustang. Beim Setzen klappte der Morgenmantel auf und gab seine Beine der Kälte preis. Er zog ihn zurecht. Seine Hände zitterten stark, doch er schaffte es, den Schlüssel in die Zündung zu stecken.
    Das Brüllen des Motors hallte durch die Doppelgarage.
    Albert setzte zurück bis zu Miltons Wagen, der noch in der Einfahrt stand, fuhr wieder vorwärts und steuerte nach rechts. Er parkte den Mustang vor der Garage, direkt hinter dem Buick.
    Danach fuhr er Miltons Auto in die Garage und schloss das Tor.
    Das wär’s dann mit dem heißen Wagen, dachte er. Wenn jemand Charlenes Auto in der Einfahrt sieht, wird er sich nicht viel dabei denken.
    Zurück im Haus trat er in die Vorratskammer neben der Küche und klappte den Deckel der Gefriertruhe auf.
    Am anderen Ende ragten links und rechts von einer Packung Schokoladeneis die schmutzigen Unterseiten eines Paars Socken auf. Albert drückte mit der Fingerspitze gegen eine der Sohlen. Der Fuß darunter fühlte sich hart an wie ein tiefgefrorenes Steak.
    »Und wie geht es dir heute Morgen, Mike? Mir geht’s gut, danke. Ich genieße deine Gastfreundschaft. Ruf einfach, wenn du was brauchst.«
    Kichernd schloss Albert den Deckel.

15   EIN AUFGEWÜHLTER JUGENDLICHER
    Ian war allein im Klassenzimmer und hörte, wie die Tür geöffnet und geschlossen wurde. Anstatt aufzublicken, las er weiter in der Klassenarbeit.
    »Mr. Collins?«
    Unten auf die letzte Seite schrieb er: »Gute Ideen, aber achte auf deine Wortwahl. Es gibt noch andere Verben in der englischen Sprache als machen .« Er benotete die Arbeit auf dem obersten Blatt mit »gut«, legte sie zur Seite und sah auf. »Ach, hallo, Charles. Wie geht’s unserem Lieblingsdichter?«
    »Ganz okay, glaub ich. Kann ich mit

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