Die Klinge: Roman (German Edition)
Revolver aus dem Holster.
46 DAS LEHRERZIMMER
Janet warf zehn Cent in den Automaten im Lehrerzimmer. Sie trat zurück und sah zu, wie ein Pappbecher ausgespuckt wurde. Als das laute Brummen aufhörte, bückte sie sich und zog den Becher heraus. Der Kaffee darin war schlammig braun. Sie rümpfte die Nase.
»An Ihrer Stelle würde ich das nicht trinken«, sagte eine dünne, auffällige Frau, die auf dem Sofa saß.
»Es sieht irgendwie ekelhaft aus.«
»Der Kakao ist viel besser«, erklärte die Frau. »Er kostet fünf Cent mehr als der Kaffee, aber das lohnt sich.«
»Was habe ich schon zu verlieren?« Janet goss den Kaffee in die Spüle, fand drei Fünf-Cent-Stücke in ihrem Portemonnaie und wählte am Automaten heiße Schokolade. Sie warf das Geld ein und wartete.
»Sind Sie zum ersten Mal an der Grand Beach High?«, fragte die Frau.
»Es ist mein erstes Mal überhaupt.«
»Das muss ziemlich aufregend für Sie sein. Sie haben Emily Jeans Klassen, oder?«
Sie nahm den Becher aus dem Automaten. Der Kakao sah gut aus. »Ist das Mrs. Bonner?«
Der Frau nickte und steckte eine Zigarette in das Ende einer langen, silbernen Spitze. »Sie und ich sind normalerweise die Einzigen hier. Alle anderen, die sich auf die vierte Stunde vorbereiten, gehen schnurstracks in das gemischte Lehrerzimmer, das ein absolutes Irrenhaus ist.« Sie zündete ihre Zigarette an.
»Das gemischte Lehrerzimmer?«, fragte Janet und setzte sich in einen Sessel.
»Wir haben hier insgesamt drei Lehrerzimmer. Eines für Männer, in dem sich die Chauvinisten versammeln. Betreten auf eigene Gefahr. Da muss man alle Hoffnung fahren lassen. Dann gibt es das gemischte Lehrerzimmer, wo das Chaos regiert. Und schließlich das Zimmer für die Frauen, ein wahrer Segen, wie das Auge des Hurrikans. Da sind wir.« Sie stieß einen Strahl Rauch aus und kniff die Augen zusammen, als würde sie ihn inspizieren. »Ich bin übrigens Dale.«
»Ich bin Janet.«
»Ist Englisch dein Fach, oder haben sie dich in einem fremden Fachgebiet eingesetzt? Das scheinen sie nämlich gern zu machen.«
»Englisch ist mein Hauptfach.« Janet beschloss, nicht zu erwähnen, dass sie einen Masterabschluss hatte. Sie kostete die heiße Schokolade. »Mhm. Du hattest recht.«
»Gut, oder?«
»Großartig.«
»Ich würde auch eine trinken, aber ich muss auf die Kalorien achten.«
Janet starrte auf ihren Kakao. Wenn Dale, die schlank war wie ein Vogue -Model, sich die Kalorien nicht leisten konnte, dann konnte Janet es erst recht nicht. Sie trank trotzdem noch einen Schluck.
»Ich bin sowieso schon eine ziemlich pummelige Ophe lia«, sagte Dale.
»Eine pummelige was?«
»Ach, ich verkleide mich für die Halloween-Party heute Abend als Ophelia. Ophelia aus Hamlet . Mein Mann, der viel belesener ist als ich, hat darauf bestanden, sich als der Geist von König Hamlet zu verkleiden. Ich durfte mir aussuchen, ob ich als Ophelia oder Yorick gehe.«
»Ich glaub, Letzteren würde ich erkennen.«
»Würde das nicht jeder? Auf jeden Fall habe ich mich für Ophelia entschieden.«
»Im gesunden oder im wahnsinnigen Zustand?«
»Wahnsinnig natürlich. Völlig übergeschnappt.«
»Eine kluge Entscheidung.« Janet nickte weise und lächelte dabei. »Klingt lustig.«
»Ach, wir feiern meistens unvergessliche Partys. Jim Harrison – der Rektor – ist zur letzten Party als Wilder gekommen. Kaum zu glauben, was er für einen Tumult ausgelöst hat. Er hatte einen Plastikmüllsack mit gerupften Hühnern dabei. Toten Hühnern.«
»Oh Mann.«
»Gelegentlich hat er eines rausgezogen und ihm den Kopf abgebissen.«
»Mein Gott.«
»Es war wirklich ziemlich verrückt. Und grässlich. Die Männer fanden das natürlich alle ganz toll. Er hat ihnen wirklich den Kopf abgebissen! Jim ist ein liebenswerter Mann, aber vulgär … schrecklich vulgär.« Dale paffte an ihrer Zigarette und schüttelte den Kopf. »Die arme Emily Jean war von seinem Auftritt so angewidert, dass sie in Ians Swimmingpool gekotzt hat. Sie hat sich fürchterlich geschämt, aber Ian hat es bemerkenswert entspannt gesehen. Ian bringt nichts aus der Fassung.« Sie betrachtete den Zigarettenrauch und verzog den Mundwinkel zu einem Grinsen. »Ich nehme an, Emily Jean wird zur Feier heute Abend nicht kommen können.«
»Vermutlich nicht«, sagte Janet.
»Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass sie sich vielleicht heute krankgemeldet hat, damit sie nicht zur Party kommen muss. Sie hat sich wegen des Fiaskos
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