Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
enttarnt sein.«
»Hilfst Fei?«, fragte Scheroc.
Ich stemmte mich nach hinten und auf die Hacken, ignorierte den Qamasiin und konzentrierte mich ganz auf Triss. »Selbst wenn es uns gelingt, sie rauszuhauen und den Kothmerk aufzutreiben, ihn seinem rechtmäßigen Eigner zurückzugeben und Tien zu verlassen, werde ich mich irgendwann mit dem Problem befassen müssen, dass mein Aussehen bekannt ist. Mein Bild wird in jedem der elf Königreiche verbreitet werden. DiesesGesicht werde ich nie mehr irgendwo ungefährdet zeigen können.«
»Das weiß ich, aber …«
»Aber was, Triss? Solange ich so aussehe …« Ich führte eine Hand an meine Wange, »… sitze ich in der Scheiße. Der Knochenformer bietet mir eine Möglichkeit, da rauszukommen. Und nicht nur einmal. Die Göttin schützt meine Identität nicht mehr. Sagen wir, ich schaffe es, mein Gesicht auf andere Weise zu verändern – und das werden wir müssen, oder ich kann mich nie wieder rauswagen – nun, dann wird das nächste Gesicht, das ich aufsetze, genauso angreifbar sein wie dieses. Wird es irgendwann bekannt, sitze ich wieder in derselben Falle. Ich weiß, dass das gefährlich ist, aber wenn es mir gelingt, den Knochenformer zu beherrschen, dann habe ich immer einen Ausweg parat. Ich glaube, das ist das Risiko wert.«
Triss ließ die Flügel hängen. »Das mag ja alles sein, aber müssen wir das unbedingt jetzt machen?«
»Nicht in dieser Minute, nein. Wir sind beide viel zu erledigt, um das zu versuchen, ehe wir nicht wenigstens ein paar Stunden Schlaf und eine gute Mahlzeit bekommen haben. Aber ich glaube nicht, dass wir uns darüber hinaus noch lange Zeit lassen können. Wenn wir es versuchen, dann besser früher als später, denn es erhöht unsere Chance, eine Herausforderung zu bewältigen, die schon unter idealen Umständen extrem hart ist.«
Triss zischte mürrisch. »In Ordnung. Wir machen es nach dem Frühstück, aber ich behalte mir das Recht vor zu sagen, ›ich habe dich gewarnt‹, wenn du mit einem Gesicht endest, das aussieht wie eine Brezel.«
»Ist notiert.«
»Rettest Fei?« Scheroc hörte sich furchtbar jämmerlich an.
Ich nickte. »Bald, Kleiner. Bald.« Das zumindest hoffte ich.
Eigentlich war ich weitaus pessimistischer, irgendetwas von all dem erfolgreich durchzuführen, als ich gegenüber meinem Vertrauten zugeben mochte. Besonders der Knochenformer machte mir Sorgen, denn ich hatte noch nie viel für höhere Magie übrig gehabt. Eine Tatsache, an die ich sowohl offensichtlich als auch auf subtile Weise erinnert wurde, als ich daran arbeitete, Heras magisches Fadenwerk zu duplizieren. Inmitten eines Hexagons, das sie gezeichnet und mit Symbolen geschmückt hatte, machte ich mich an eine gemächliche Nachahmung ihres Zaubers, während Triss von seinem Platz aus in einem der anderen Musterteile Ermutigungen und Berichtigungen lieferte.
Hätten Triss und ich die ganze Sache nicht auf eine Weise beobachtet, die es uns ermöglichen sollte, sie für eine spätere Nachahmung abzuspeichern, dann wäre das Unterfangen gänzlich hoffnungslos gewesen – danke, Meister Urayal. Wie die Dinge lagen, musste ich jeden bunten Faden prüfen und noch mal prüfen, ehe ich ihn mit meinem Willen an seinen Platz führte, ebenso wie die Bezeichnung der korrespondierenden Glyphen, und dazu noch hoffen, dass ich beides mit der korrekten Intention und Intonation hinbekam. Was die Dyadenzauberinnen binnen Minuten mit Leichtigkeit und Schwung vollbracht hatten, kostete mich über eine Stunde akribischer Sortiererei. Aber irgendwann war es geschafft. Jedenfalls hoffte ich das.
Von innen sah der Bann sogar noch herausfordernder aus als von der Seite. Das Netz aus Magie war überall um mich herum, ein ständig in Bewegung befindliches Gewebe aus Farben und Licht, von dem ich immer nur einen Teil sehen konnte, da genauso viel von ihm hinter mir wie vor mir lag. Noch mehr als das Aussehen schüchterte mich jedoch das Gefühl ein, das mir der Zauber vermittelte. Ich konnte jede der verbundenen Glyphen als Präsenz, fest verankert in meinem Fleisch, wahrnehmen – die Enden der Linien waren weit mehr als nur Lichtpunkte, die meine Haut tüpfelten.
Jeder Faden schuf ein beinahe unentzifferbar winziges Replikat der Originalglyphe, das viel tiefer eindrang als nur bis unter die Haut. Ich spürte, wie die Glyphen sich in mein Inneres schrieben. Die meisten prägten sich in die Muskeln und das Gewebe direkt unter meiner Haut, aber andere
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